In dieses Projekt sind bisher rund 1100 Stunden Herzblut geflossen – entstanden ist eine Sammlung von über 100 Geschichten über europäische Frauen und ihr heidnisches Erbe.
Männer sehen die Welt anders als Frauen. Ihr Weltbild ist ist stärker von Hierarchien, Rollenbildern und dem Streben nach Status geprägt. Männer neigen dazu, Machtverhältnisse und Wettbewerb in den Vordergrund zu stellen, Frauen gewichten das Gefühl, die Intuition, die Psyche und die Kreativität stärker. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf Beziehungsdynamiken, verspielte Lebendigkeit, emotionale Feinheiten, seelisches Wachstum und soziale Verflechtungen. Man könnte sagen: Männer orientieren sich stärker an objektiven Wahrheiten – an Strukturen, Regeln und messbaren Größen – während Frauen eher in subjektiven Wahrheiten verwurzelt sind – in der lebendigen Erfahrung, der inneren Resonanz, dem emotionalen Erleben und der Bedeutung, die sich aus Beziehung ergibt.
Ist die objektive Wahrheit wahrer als die subjektive? Ich behaupte, das ist sie nicht. Ich bin davon überzeugt, dass die vorhin angesprochenen Unterschiede zwischen Mann und Frau sehr wohl biologisch festgelegt sind. Sie spiegeln nicht bloß gesellschaftliche Prägungen und Erwartungen wider. Meiner Überzeugung nach liegt im Wesen des Mannes eine eher materialistisch geprägte Denkweise, die sich auf Zahlen, Daten und Fakten reduziert. Das Denken der Frau hingegen ist von Natur aus dem Emotionalen zugewandt.
Ich glaube, dass genau darin der wahre innere Kern des Weiblichen liegt – warum sonst fühlen sich so viele von uns so tiefgehend von Spiritualität, von allem Geistigen, Kreativen und Gefühlvollen angezogen? Warum sind es wir, die sich seit jeher der Fürsorge der Kinder, Ehemänner, Eltern und Schwiegereltern widmen? Denkerinnen wie Carolyn Merchant(1), Vandana Shiva(2) oder Val Plumwood(3) argumentieren, dass weibliche Zugänge zur Welt – Beziehung, Lebendigkeit, Kreativität, Ganzheit und Verbundenheit – in patriarchalen Kulturen systematisch abgewertet wurden und noch immer werden. Die subjektive Erfahrung des Lebendigen gelten in unserer Gesellschaft als minderwertige Erfahrungweisen. Und nach wie vor gilt: Wer es wagt, diese Weltsicht öffentlich zu vertreten, wird mit Schweigen, Spott oder öffentlicher Ausgrenzung zum Verstummen gebracht.
Der Materialismus in seiner klassischen, reduktionistischen Form ist Teil eines patriarchalen Weltverständnisses. Früher ging dieses eher mit einem mechanistischen, heute mit einem programmbasierten Weltbild einher: Wurde die Welt von Männern einst als kontrollierbare Maschine begriffen, betrachten sie sie heute als programmierbaren Computer. Der Unterschied zwischen beiden Sichtweisen ist marginal – in beiden Fällen wird die Welt mitsamt ihren Lebewesen als triviale Maschine betrachtet, ohne innere Lebendigkeit, reduziert auf Ressourcen, die es zu kontrollieren, zu optimieren und nutzbar zu machen gilt.
Auch, wenn uns immer wieder weisgemacht werden will, dass es nicht so sei, ist unsere westliche Gesellschaft auch heute noch übermäßig männlich geprägt. Noch stärker als in der Antike trat dieses Muster mit dem Erstarken der christlichen Kirche hervor: Alles, was mit Weiblichkeit, Körperlichkeit, Fruchtbarkeit, Sinnlichkeit, Naturverbundenheit und Lebendigkeit in Verbindung gebracht wurde, brandmarkte man nun als „heidnisch“ oder „ketzerisch“. Die gesamte weibliche Weltsicht galt fortan als irrational – im schlimmsten Fall sogar als teuflisch. Dass die damaligen Autoritäten nicht erkannt hätten, dass all das, was sie als dämonisch verwarfen, zutiefst mit dem Weiblichen verbunden war, erscheint mir wenig glaubhaft. Vielmehr spricht alles dafür, dass sie sehr genau wussten, was sie taten – und dass die systematische Abwertung des Weiblichen kein Zufall, sondern Teil einer bewussten kulturellen Strategie war.
Ich bin zudem überzeugt, dass es als Menschheit unsere Aufgabe ist, die Fähigkeit zu entwickeln, mehrere Wahrheiten nebeneinander als gültig anzuerkennen. Dass wir aufhören, „die Wahrheit“ als das Vorrecht einer einzigen Sichtweise zu verstehen – als etwas, das andere Perspektiven ausschließt oder sich ihnen überlegen fühlt. Stattdessen sollten wir Wahrheit als ein Zusammenspiel verschiedener Bewusstseins- oder Wahrnehmungsebenen begreifen, die sich im Wesentlichen aus zwei gegensätzlichen Perspektiven speisen: der männlichen und der weiblichen. Wir müssen damit zurechtkommen, dass verschiedene Wahrheiten gleichzeitig und nebeneinander bestehen können – weil sie sich in Wahrheit überhaupt nicht widersprechen, sondern sich im Gegenteil ergänzen.
Dazu gehört auch, Materielles und Spirituelles nicht länger als unvereinbare Gegensätze zu betrachten. Die Wahrheit finden wir nicht allein in der materiellen Welt, begreifen wir nicht nur mit dem Verstand, sondern auch durch unser Gefühl.
„Nichts existiert ohne sein Gegenteil. Gleiches und Ungleiches sind ihrer Natur nach identisch, unterscheiden sich lediglich in ihrem Wirkungsgrad.“
Das Gesetz der Gegensätze
Solange uns diese Vereinigung der Gegensätze nicht gelingt, wird unsere Welt von einem ständigen Kräftemessen geprägt sein. Frauen werden sich weiterhin unterdrückt und entwertet fühlen – und dem Materialismus in seiner reduktionistischen Ausprägung entweder Widerstand entgegensetzen oder ihn für ihre Zwecke nutzen – was den Männern auch wieder nicht gefällt. Männer werden weiterhin an einem Weltbild festhalten, das auf Kontrolle, Wettbewerb und äußeren Maßstäben beruht – und aus diesem Selbstverständnis heraus Schwierigkeiten haben, emotionale, intuitive oder beziehungsorientierte Zugänge als gleichwertig anzuerkennen.
Wenn von Frauengeschichte die Rede ist, richtet sich der Blick meist auf jene Frauen, die Ähnliches geleistet haben wie Männer: Erfinderinnen, Revolutionärinnen, Königinnen, Sportlerinnen oder Politikerinnen. So sehr man diese Frauen auch bewundern kann, so bleibt doch das Wesentliche vieler Frauen unberührt. Kann die eine Königin, die eine Sportlerin oder die eine Revolutionärin das ureigenste Wesen einer Frau in ihren weiblichen Talenten, Fähigkeiten und Lebensformen abbilden?
Was nützt uns eine eigene Diziplin „Frauengeschichte“, wenn sie sich allein daran orientiert, was Frauen im Vergleich zu Männern erreicht haben? Eine solche Perspektive verfehlt das eigentlich Weibliche, das, was Frauen unabhängig von Männern, in allen Zeiten und an allen Orten, aus allen sozialen Schichten, aus ihrer eigenen Kraft und ihrem eigenen Selbstverständnis heraus getan und gelebt haben.
Mit diesem Projekt möchte ich genau das sichtbar machen: Ich widme mich den Wegen, Tätigkeiten und Ausdrucksformen von Frauen, die jenseits von männlich geprägten Maßstäben existieren – nicht im Vergleich zu Männern, sondern aus sich selbst heraus. So entsteht eine Frauengeschichte, die das Weibliche in seiner ganzen Tiefe und Vielfalt ernst nimmt und würdigt.
Ich möchte auf dieser Seite ebenfalls sichtbar machen, dass das weibliche Prinzip bis heute tiefgreifend unterdrückt wird. Um dies zu verstehen, ist es einerseits notwendig, die Geschichte des Heidentums aufzuarbeiten – also die gezielte Ausgrenzung, Verurteilung und Unterdrückung nichtchristlicher, weiblich geprägter Spiritualität durch die Kirche. Dadurch soll deutlich werden, dass sich hinter dieser Verdrängung über Jahrhunderte hinweg immer wieder dieselben Mechanismen verbergen. Andererseits möchte ich aufzeigen, dass vieles von dem, was Frauen heute leben, fühlen und ausdrücken, kein modernes Phänomen ist, sondern auf uralten Erfahrungen und Traditionen beruht. Frauen haben all das, wie sie denken und handeln, schon immer so gefühlt und getan – nur in manchen Zeiten und an manchen Orten eben eher im Verborgenen als in anderen. Die sogenannten heidnischen Denkweisen und Rituale haben sich über die Zeit hinweg weiterentwickelt, sie haben neue Formen angenommen und sich äußeren Gegebenheiten angepasst – und doch sind sie in ihrem innersten Wesen über Jahrtausende hinweg erstaunlich konstant geblieben.
Auf dieser Seite blicke ich auf alle Themen aus einer sozialkritischen und zugleich empathischen Perspektive. Im Ressort Hexenverfolgung arbeite ich mit historischen Quellen und Forschungsarbeiten, beschränke mich jedoch nicht allein auf die Aufarbeitung und Analyse dessen, was historisch belegbar und schriftlich festgehalten wurde. Dafür gibt es schon Wikipedia. Mir geht es um mehr: Jede Geschichte, die ich hier erzähle, erhält ihr einzigartiges Gesicht, weil ich sie durch meine subjektive Linse betrachte und auch das miteinbeziehe, was sich nicht direkt in den Worten und Sätzen finden lässt – das, was ich beim Lesen der Prozessakten, Berichte und Analysen empfinde, welches Gefühl das Lesen in mir auslöst. Die Geschichten auf dieser Seite sind daher keine reine Wiedergabe von bereits gut aufbereiteten Fakten, sondern Ausdruck meiner persönlichen Deutung der Geschichte.
Mein Name ist Alvisi vom roten Stein. Ich danke dir, dass du meinen Gedanken deine Zeit geschenkt hast!
Quellen:
(1) The Death of Nature – Carolyn Merchant, siena.edu
(2) Vandana Shiva, wikipedia
(3) Feminism and the Mastery of Nature – Val Plumwood, syllabus.pirate.care
Bild: © Alvisi vom roten Stein