Libanios war ein bedeutender griechischer Rhetoriklehrer. Mit der Rede „Pro templis“ (Περὶ τῶν ἱερῶν) reagierte er (vermutlich zwischen 386 und 391 n. Chr) auf die Zerstörung heidnischer Tempel durch christliche Mönche und fanatische Gruppen. Die Rede wurde nicht tatsächlich vor dem Kaiser oder einem offiziellen Publikum gehalten. Sie ist eine fiktive Verteidigungsrede, ein literarisches Werk, das wie eine tatsächliche Ansprache an den Kaiser gestaltet ist. Pro templis zirkulierte in gebildeten Kreisen, wurde kopiert und gelesen – nicht zuletzt als Teil des kulturellen Widerstands gegen die christliche Hegemonie. Die Rede ist eines der bedeutendsten Zeugnisse heidnischer Argumentation gegen die christliche Umgestaltung des Reiches.
ANFANG
Da ich, o Kaiser, bereits oft Ratschläge erteilt habe, die von Ihnen gebilligt wurden, selbst wenn andere gegenteilige Dinge rieten, komme ich nun mit demselben Vorsatz und denselben Hoffnungen zu Ihnen, nämlich dass Sie gerade jetzt meinem Rat Gehör schenken werden. Wenn aber nicht, so halten Sie den Redner dennoch nicht für einen Feind Ihrer Interessen, in Anbetracht, neben anderem, der großen Ehre, die Sie mir erwiesen haben, und dass es nicht wahrscheinlich ist, dass jemand, der so sehr verpflichtet ist, seinen Wohltäter nicht liebt. Und eben deshalb halte ich es für meine Pflicht, einen Rat zu erteilen, wenn ich meine, etwas Nützliches vorbringen zu können; denn ich habe keine andere Möglichkeit, dem Kaiser meine Dankbarkeit zu zeigen, als durch Reden und die in ihnen enthaltenen Ratschläge.
Ich werde in der Tat vielen als jemand erscheinen, der eine sehr gefährliche Sache unternimmt, wenn ich bei Ihnen für die Tempel spreche, damit ihnen kein Schaden zugefügt werde, wie es jetzt geschieht. Doch diejenigen, die solche Befürchtungen hegen, erscheinen mir sehr unwissend hinsichtlich Ihres wahren Charakters. Denn ich halte es für ein Zeichen eines zornigen und strengen Wesens, wenn jemand sich über einen Ratschlag erzürnt, den er nicht billigt; hingegen für ein Zeichen eines milden, sanften und gerechten Wesens – wie das Ihre –, wenn er bloß einen Rat ablehnt, den er nicht billigt. Denn wenn es in der Macht dessen liegt, an den sich die Rede richtet, ob er einen Ratschlag annimmt oder nicht, so ist es nicht vernünftig, ein Anhören zu verweigern, das keinen Schaden anrichten kann; noch ist es gerecht, einen Ratschlag, der seinem eigenen Urteil widerspricht, zu missbilligen und zu bestrafen, wenn doch der einzige Beweggrund des Ratgebers die Überzeugung von dessen Nützlichkeit war.
Ich bitte Sie daher, o Kaiser, wenden Sie mir Ihr Antlitz zu, während ich spreche, und richten Sie Ihren Blick nicht auf jene, die in vielen Dingen darauf aus sind, sowohl Sie als auch mich zu beunruhigen; denn oftmals hat ein Blick größere Wirkung als alle Kraft der Wahrheit. Ich möchte ferner betonen, dass man mir gestatten sollte, meine Rede ruhig und ohne Unterbrechung zu halten; und danach mögen sie sich nach Kräften bemühen, uns mit dem, was sie zu sagen haben, zu widerlegen.
Die Menschen, nachdem sie sich zunächst in Höhlen und Hütten Sicherheit verschafft hatten und dort den Schutz der Götter erfahren hatten, erkannten bald, wie wohltätig deren Gunst für die Menschheit sein müsse. Sie errichteten ihnen daher, wie man annehmen kann, Statuen und Tempel, so gut sie es in jenen frühen Zeiten vermochten. Und als sie begannen, Städte zu bauen – mit dem Fortschritt der Künste und Wissenschaften –, entstanden viele Tempel an den Hängen von Bergen und in Ebenen. Und in jeder Stadt wurden, gleich nach den Mauern, Tempel und heilige Gebäude errichtet – als Anfang des übrigen Stadtgefüges. Denn von solchen Regierenden erwartete man die größte Sicherheit. Und wenn Sie das gesamte Römische Reich überblicken, werden Sie sehen, dass dies überall so ist. Denn in der Stadt, die der größten am nächsten kommt, gibt es noch immer einige Tempel, obwohl sie ihrer Ehren beraubt sind – wenige zwar von vielen –, aber dennoch ist sie nicht ganz verödet.
Und mit Hilfe dieser Götter kämpften die Römer und besiegten ihre Feinde; und nachdem sie sie besiegt hatten, verbesserten sie deren Lage und machten sie glücklicher, als sie es vor der Niederlage gewesen waren, indem sie deren Ängste verminderten und sie an den Vorrechten des Gemeinwesens teilhaben ließen. Und als ich ein Kind war, besiegte derjenige, der das gallische Heer anführte, jenen, der ihn beleidigt hatte – nachdem sie zuvor zu den Göttern um Erfolg gebetet hatten, bevor sie sich einließen. Nachdem er jenen besiegt hatte, der zu jener Zeit den Städten Glück brachte, und es für vorteilhaft hielt, einen anderen Gott zu haben, verwendete er für den Bau der Stadt, die er damals plante, das heilige Geld, ohne jedoch den gesetzlich festgelegten Kult zu verändern. Die Tempel wurden zwar verarmt, aber die Riten wurden dort weiterhin vollzogen.
Als aber das Reich auf seinen Sohn [Anm.: des Kaisers] überging – oder besser gesagt, die äußere Form des Reiches, denn die eigentliche Regierung lag in den Händen anderer, die von Anfang an seine Herren gewesen waren und denen er gleiche Macht wie sich selbst gewährte –, wurde er, auch als Kaiser, von diesen regiert und zu vielen falschen Handlungen verleitet, unter anderem dazu, Opfer zu verbieten. Diese stellte sein Vetter [Anm.: vermutlich Julian] wieder her, der alle Tugenden besaß; was er darüber hinaus tat oder zu tun beabsichtigte, will ich an dieser Stelle übergehen[a]. Nach seinem Tod in Persien blieb die Freiheit zu opfern [Anm.: die Religionsfreiheit] eine Zeit lang bestehen. Doch auf Anstiften einiger Neuerer wurden die Opfer von den beiden Brüdern verboten – jedoch nicht der Weihrauch – und diesen Zustand hat Ihr Gesetz bestätigt. So haben wir nicht mehr Grund, über das zu klagen, was uns verwehrt ist, als dankbar zu sein für das, was erlaubt ist.
Sie, o Kaiser, haben also nicht befohlen, die Tempel zu schließen, noch jemandem verboten, sie zu betreten. Auch haben Sie das Feuer oder den Weihrauch oder andere Ehrengaben des Weihrauchs nicht von den Tempeln oder Altären vertrieben. Doch jene schwarzgekleideten Leute, die mehr essen als Elefanten und von den Menschen, die ihnen Getränke für ihre Gesänge senden, große Mengen an Flüssigkeit fordern, ihre Genusssucht aber hinter blassen, künstlich gemachten Gesichtern verbergen – diese Männer, o Kaiser, dringen sogar während Gültigkeit Ihres Gesetzes in die Tempel ein, bringen Holz, Steine und Eisen mit sich, und wenn sie das nicht haben, Hände und Füße. Dann folgt eine „mysische Beute“: Die Dächer werden abgedeckt, Mauern eingerissen, Bilder weggetragen, Altäre umgestürzt – und die Priester müssen schweigen unter Todesandrohung.
Haben sie einen Tempel zerstört, rennen sie zum nächsten, dann zum dritten, und es werden Trophäen über Trophäen errichtet – alles entgegen Ihrem Gesetz. Dies geschieht in den Städten, aber auch auf dem Land. Und überall gibt es viele Feinde. Nach unzähligen Gräueltaten versammelt sich die verstreute Menge wieder, und sie fragen einander, was sie getan haben; und derjenige schämt sich, der nicht von irgendeiner großen Untat berichten kann, die er begangen hat. Sie breiten sich daher wie Sturzfluten über das Land aus und verwüsten die Gegenden samt den Tempeln. Denn wo immer sie den Tempel eines Landstrichs zerstören, da wird zugleich auch das Land selbst blind, es verkommt und stirbt.
Denn, o Kaiser, die Tempel sind die Seele des Landes; sie waren der erste Ursprung der Bebauung des Landes, und sie haben viele Zeitalter bis heute überdauert. Und in ihnen liegen alle Hoffnungen des Landmanns – hinsichtlich der Männer, Frauen, Kinder, der Rinder, des Samens und der Pflanzen der Erde. Wo auch immer ein Land seine Tempel verloren hat, ist dieses Land verloren – und mit ihm die Hoffnungen der Bauern, und mit ihnen all ihr Eifer; denn sie glauben, dass sie vergeblich arbeiten werden, wenn sie der Götter beraubt sind, die ihre Arbeit segnen sollen. Und da das Land nicht mehr wie gewohnt bebaut wird, sinkt der Tribut.
In diesem Zustand wird der Bauer verarmt, und das Einkommen leidet. Denn selbst beim bestem Willen kann man Unmögliches nicht überwinden. So nachteilig sind die willkürlichen Handlungen jener Personen auf dem Lande, die sagen, sie „kämpfen gegen die Tempel“. Doch dieser Kampf bringt denjenigen Gewinn, die die Bewohner unterdrücken: Sie rauben diesen unglücklichen Menschen ihre Güter und das, was sie an Erträgen der Erde für ihren Unterhalt aufbewahrt hatten, und ziehen ab mit Beute, wie von jenen, die sie besiegt haben. Und sie geben sich damit nicht zufrieden, sondern nehmen auch noch das Land mancher in Besitz und behaupten, es sei „heilig“; und viele werden unter falschem Vorwand ihres väterlichen Erbes beraubt.
So leben diese Menschen auf Kosten des Elends anderer in Saus und Braus, während sie behaupten, Gott mit Fasten zu verehren. Und wenn jene, die misshandelt wurden, zum Vorsteher in der Stadt gehen – denn so nennen sie einen Mann, der nicht zu den Sanftmütigsten gehört –, und ihm das Unrecht klagen, das ihnen widerfahren ist, lobt dieser die Täter, weist aber die Klageführer ab, als müssten diese sich glücklich schätzen, dass ihnen nicht noch mehr widerfahren ist.
Obwohl doch, o Kaiser, auch diese Ihre Untertanen sind – und weit nützlicher als jene, die ihnen schaden, so wie arbeitende Menschen nützlicher sind als müßige. Denn sie sind wie Bienen, aber die anderen wie Drohnen. Und sobald sie von irgendeinem Land hören, wo es etwas zu plündern gibt, rufen sie sogleich: „Der opfert, der tut Gräuel – ein Heer sollte gegen ihn gesandt werden.“ Und sogleich sind die „Reformer“ zur Stelle – so nennen sie ihre Plünderer, wenn ich nicht ein zu mildes Wort gebraucht habe.
Einige von ihnen versuchen sich zu verbergen und leugnen ihr Vorgehen; und wenn man sie Räuber nennt, fühlen sie sich beleidigt. Andere hingegen prahlen und rühmen sich ihrer Taten vor Unwissenden und sagen, sie seien mehr wert als die Bauern. Doch was ist dies anderes, als in Friedenszeiten Krieg gegen die Bauern zu führen? Es mindert diese Übel keineswegs, dass sie von Landsleuten ausgehen. Vielmehr ist es noch schwerer zu ertragen, in Zeiten des Friedens von jenen zu leiden, die einem in Zeiten der Not helfen sollten.
Denn Sie, o Kaiser, versammeln im Falle eines Krieges ein Heer, erlassen Befehle und tun alles, was der Lage angemessen ist. Und die neuen Bauwerke, die Sie jetzt errichten, dienen der weiteren Sicherung vor unseren Feinden, damit alle sicher in ihren Behausungen leben können – sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Und sollte dann irgendein Feind einen Einfall wagen, so soll er erkennen, dass ihm Verlust droht und kein Gewinn. Wie kommt es also, dass einige unter Ihrer Herrschaft andere stören, die ebenfalls unter Ihrer Herrschaft stehen, und ihnen nicht gestatten, an den gemeinsamen Vorteilen teilzuhaben? Wie untergraben sie nicht Ihre eigene Sorge, Weitsicht und Mühe, o Kaiser? Wie kämpfen sie nicht durch ihr Tun gegen Ihr Gesetz?
Aber sie sagen: „Wir haben nur diejenigen bestraft, die Opfer dargebracht und damit das Gesetz übertreten haben, das Opfer verbietet.“
O Kaiser, wenn sie das sagen, lügen sie. Denn niemand ist so vermessen und so unwissend über die Abläufe der Gerichte, dass er sich für mächtiger als das Gesetz hielte. Wenn ich vom Gesetz spreche, meine ich das Gesetz gegen die Opfernden. Kann man glauben, dass diejenigen, die schon den Anblick eines Steuerbeamten nicht ertragen, die Macht Ihrer Regierung verachten würden? Das ist ihre eigene Rechtfertigung. Und sie ist auch Flavian selbst oft vorgetragen worden, aber nie widerlegt worden – bis heute nicht.
Denn ich rufe die Hüter dieses Gesetzes auf: Wer von denen, die ausgeplündert worden sind, ist bekannt dafür, auf Altären unerlaubte Opfer dargebracht zu haben? Welcher junge oder alte Mensch, welcher Mann, welche Frau? Wer von den Einwohnern derselben Gegend, die mit den Opfernden nicht im Gottesdienst übereinstimmen? Wer von den Nachbarn? Denn Neid und Eifersucht sind in Nachbarschaften häufig. Viele wären nur allzu bereit, gegen jemanden auszusagen, wenn so etwas geschehen wäre. Und doch ist niemand aufgetreten, weder aus dem Land noch aus der Nachbarschaft. Und niemand wird es je tun – aus Furcht vor Meineid, um nicht von der Strafe selbst zu sprechen. Wo also liegt die Wahrheit in dieser Anklage, wenn diese Männer beschuldigt werden, widerrechtlich geopfert zu haben?
Aber das allein reicht ihnen nicht als Entschuldigung gegenüber dem Kaiser. Einer mag daher sagen: „Sie haben nicht geopfert.“ Nehmen wir das an. Aber bei Festessen und fröhlichen Zusammenkünften sind Ochsen geschlachtet worden. Es gab jedoch keinen Altar, der das Blut empfing, kein verbranntes Stück, keine Salzkuchen vorher, und kein Trankopfer danach. Wenn sich aber einige Personen auf einer schönen Wiese treffen, ein Kalb oder ein Schaf – oder beides – schlachten und einen Teil braten, den anderen grillen, und das Ganze dann im Schatten auf dem Boden verzehren, so wüsste ich nicht, dass sie damit gegen irgendein Gesetz verstoßen hätten. Denn auch Sie, o Kaiser, haben dies mit Ihrem Gesetz nicht verboten; Sie haben nur das eine genannt, was nicht getan werden darf, und alles andere damit erlaubt.
So haben sie selbst dann, wenn sie gemeinsam mit allerlei Weihrauch gefeiert hätten, nicht das Gesetz übertreten – selbst wenn sie während dieses Festes gemeinsam gesungen und die Götter angerufen hätten. Es sei denn, Sie möchten sogar ihre private Art zu speisen anklagen – jene Art, wie es üblich war, dass sich Bewohner verschiedener Gegenden auf dem Land an bestimmten bedeutenderen Orten zu Feiertagen versammelten, dort opferten und gemeinsam aßen. Dies taten sie, solange das Gesetz es erlaubte. Seitdem besteht die Freiheit für alles – außer für das Opfern. Wenn also ein Feiertag sie einlud, nahmen sie die Einladung an und ehrten sowohl den Tag als auch den Ort mit all dem, was erlaubt und ungefährlich war.
Dass sie es gewagt hätten, zu opfern, hat aber niemand gesagt, niemand gehört, niemand bewiesen, und niemand hat es geglaubt. Auch hat keiner ihrer Gegner behauptet, es selbst gesehen zu haben oder einen glaubwürdigen Bericht darüber zu besitzen.
Dann sagen sie weiter: „Auf diese Weise sind einige bekehrt worden und haben die gleiche religiöse Gesinnung angenommen wie sie.“ Lassen Sie sich durch diese Worte nicht täuschen; sie behaupten es nur, sind aber nicht überzeugt. Denn sie verabscheuen nichts mehr als genau das, obwohl sie das Gegenteil sagen. Die Wahrheit ist, dass sie nicht die Objekte ihrer Verehrung gewechselt haben, sondern nur den Anschein davon geben. Äußerlich schließen sie sich ihnen an und vollziehen dieselben Handlungen – aber wenn sie im Gebet verharren, wenden sie sich an niemanden – oder aber an ihre eigenen Götter; wenn auch nicht auf passende Weise an einem solchen Ort – doch sie rufen sie an.
So wie in einer Tragödie derjenige, der die Rolle eines Königs spielt, kein König ist, sondern derselbe Mensch bleibt, der er vorher war, so bleibt auch jeder dieser Menschen derselbe, der er war, obwohl er nach außen hin verändert erscheint. Und was gewinnen jene durch all das, wenn zwar das Bekenntnis mit ihrem übereinstimmt, aber die innere Übereinstimmung fehlt? Denn dies sind Dinge, zu denen man überzeugt werden sollte, nicht gezwungen. Wenn man das nicht erreichen kann, aber dennoch das andere tut, wird nichts erreicht, und man erkennt die Schwäche dieses Versuchs.
Es heißt, dass dies selbst durch ihre eigenen Gesetze nicht erlaubt sei – jene Gesetze, die Überzeugung loben und Zwang verurteilen. Warum also greifen Sie die Tempel an? Wenn Sie nicht überzeugen können, greifen Sie zur Gewalt. Damit verstoßen Sie offenkundig gegen Ihre eigenen Gesetze.
Dann sagen sie: „Es ist zum Wohl der Welt und der Menschen darin, dass es keine Tempel geben soll.“
Hier, o Kaiser, brauche ich Redefreiheit – denn ich fürchte, ich könnte Anstoß erregen. So möge denn einer von jenen, die Zange, Hammer und Amboss verlassen haben und sich nun anmaßen, über den Himmel und dessen Bewohner zu reden, mir sagen, welchen Kult die Römer pflegten – jene Römer, die aus kleinen, bescheidenen Anfängen hervorgingen, immer weiter wuchsen und schließlich groß wurden: jenen Kult, oder diesen hier? Den Kult derer, denen Tempel und Altäre gehörten, durch die sie mit Hilfe von Wahrsagern erfuhren, was zu tun oder zu lassen sei?
Und viele andere Kriege ließen sich anführen, die mit Erfolg geführt und danach mit Frieden abgeschlossen wurden – durch die Gunst und unter der Leitung der Götter. Doch das Bemerkenswerteste ist: Selbst diejenigen, die diese Form der Verehrung zu verachten schienen, haben sie wider Willen geehrt. Wer sind diese? Jene, die es nicht gewagt haben, das Opfern in Rom zu verbieten.
Wenn aber das ganze Opferwesen eitel und nichtig wäre – warum wurde dann diese angeblich nichtige Praxis nicht verboten? Und wenn sie sogar schädlich wäre – umso mehr, warum nicht? Wenn aber in den in Rom dargebrachten Opfern die Beständigkeit des Reiches liegt, dann müsste es als nützlich gelten, überall Opfer zuzulassen. Und dann müsste man annehmen, dass die Dämonen (d. h. die göttlichen Mächte) in Rom größere Wohltaten spenden als jene auf dem Land oder in anderen Städten.
Das ist ein Gedanke, den man vernünftigerweise gelten lassen kann: Denn in einem Heer sind auch nicht alle gleich, und doch ist in der Schlacht die Hilfe jedes Einzelnen von Bedeutung – ähnlich wie bei Ruderern auf einem Schiff. So beschützt einer das Zepter Roms, ein anderer eine ihm unterworfene Stadt, ein anderer das Land und bringt ihm Glück.
Also lasst überall Tempel bestehen.
Oder aber jene Leute sollen zugeben, dass sie Rom nicht wohlgesonnen sind, wenn sie ihr gestatten, Dinge zu tun, die ihr Schaden bringen. Doch nicht nur in Rom bleibt das Opferrecht bestehen, sondern auch in der Stadt des Serapis – jener großen, bevölkerungsreichen Stadt mit vielen Tempeln –, durch die sie den Reichtum Ägyptens allen Menschen zugänglich macht.
Dieser Reichtum ist das Werk des Nils. Darum wird der Nil gefeiert und durch Kulthandlungen dazu bewegt, zu steigen und die Felder zu überfluten. Wären diese Riten nicht zur rechten Zeit und von den rechten Personen vollzogen worden, hätte er es nicht getan. Das scheinen selbst jene zu wissen, die solche Bräuche zwar allgemein abschaffen wollen, aber diese nicht abschaffen: Sie lassen den Fluss seine alten Riten genießen – um des Nutzens willen, den er bringt.
„Was dann?“, wird man sagen.
„Da es nicht in jedem Land einen Fluss wie den Nil gibt, der dies für die Erde tut, braucht man dort auch keine Tempel. Lasst diese Orte also erdulden, was diese frommen Leute für richtig halten.“
Ich würde solchen Fragenden gern selbst eine Frage stellen:
Würdet ihr – wenn ihr euch besinnt – auch sagen: Lasst alles aufhören, was dem Nil gilt! Lasst das Land nicht mehr von seinen Wassern profitieren! Es soll nichts mehr gesät oder geerntet werden! Kein Korn, keine Frucht, kein [Anm.: nährstoffreicher] Schlick mehr auf dem Land, wie bisher!
Wenn sie sich nicht getrauen, das auszusprechen, dann widerlegen sie durch ihr Schweigen das, was sie zuvor behauptet haben. Denn wer nicht fordert, dem Nil seine Ehren zu entziehen, gesteht damit ein, dass die Verehrung in den Tempeln einen Nutzen hat.
Und da sie jenen erwähnen, der die Tempel ihrer Einkünfte und Gaben beraubte, so wollen wir nur nebenbei bemerken, dass er nicht so weit ging, auch die Opfer selbst abzuschaffen. Doch wer je hat eine schlimmere Strafe erlitten für die Entwendung von heiligem Gut? Teils durch das, was er sich selbst antat, teils durch das, was er nach seinem Tod erleiden musste – bis hin zur Auslöschung seiner Familie durch gegenseitige Vernichtung, sodass niemand übrig blieb.
Es wäre besser für ihn gewesen, wenn einige seiner Nachkommen regiert hätten, als dass er eine Stadt, die seinen Namen trug, mit Bauwerken vergrößerte – wegen derer sein Andenken heute von allen verflucht wird, außer von jenen, die dort in sündiger Üppigkeit leben; denn durch die Armut der übrigen haben sie ihren Überfluss.
Und da sie im selben Atemzug auch seinen Sohn erwähnen, und wie er die Tempel zerstörte, wobei die Abrissenden nicht weniger Mühe aufwendeten als einst die Erbauer – so fest waren die Steine miteinander verbunden, dass es ein mühsames Werk war, sie zu trennen –,
so will auch ich etwas noch Bedeutenderes erwähnen:
Er verteilte die Tempel als Geschenke an seine Günstlinge, wie man ein Pferd, einen Sklaven, einen Hund oder einen goldenen Becher verschenkt. Aber es waren unglückliche Geschenke – sowohl für den Schenker als auch für die Beschenkten. Denn er verbrachte sein ganzes Leben in Furcht vor den Persern, fürchtete jede ihrer Bewegungen wie ein Kind Schreckgespenster.
Einige von ihnen (den Erben) starben kinderlos und erbärmlich, ohne ein Testament zu hinterlassen; andere hätten besser keine Nachkommen gehabt, so schändlich und zerstritten leben sie miteinander – und das in Häusern, die aus Säulen von geraubten Tempeln errichtet sind.
Solches, denke ich, verdanken sie jenen, die wussten, wie man sich bereichert, und diese Lebensweise ihren Kindern als Weg zum Glück beigebracht haben. Und heute noch werden einige von ihnen krank und reisen nach Kilikien – in der Hoffnung auf Hilfe durch Aeskulap. Statt Linderung finden sie dort aber nur Schmach – als Folge der Schändung des heiligen Orts. Wie könnten sie zurückkehren, ohne den Urheber dieser Übel zu verfluchen?
Doch der Wandel soll nun so sein, dass das Handeln dieses Kaisers [Anm.: Kaiser Julian] es verdient, im Leben wie im Tod gepriesen zu werden – so wie bei jenem Nachfolger, von dem wir wissen, wie groß er war. Er hätte das Perserreich gestürzt, wenn ihn nicht Verrat daran gehindert hätte. Und selbst im Tod war er groß, denn er wurde – wie auch Achill – durch Verrat getötet, und man rühmt ihn nicht nur für das, was er lebte, sondern auch für seinen Tod.
Diese Ehre wurde ihm von den Göttern zuteil, denen er Riten, Altäre, Opfer und Tempel zurückgegeben hatte. Denn er hatte vernommen: Du wirst den Hochmut Persiens demütigen – und dann sterben. Und so kaufte er sich mit dieser göttlichen Vorsehung den Ruhm seines Lebens: Er nahm viele Städte ein, unterwarf weite Gebiete, lehrte seine Verfolger das Fürchten – und stand kurz davor, eine Gesandtschaft zu empfangen, die ihm die Unterwerfung des Feindes überbringen sollte.
Darum war er zufrieden mit seiner Wunde, betrachtete sie freudig und tadelte die Weinenden, da er meinte, eine Wunde sei ihm mehr wert als jedes hohe Alter. Deshalb standen auch die später gesandten Gesandtschaften ihm zu. Und der Grund, warum die Achämeniden von da an mit Bitten statt mit Waffen vorgingen, war, dass die Furcht vor ihm in ihren Herzen weiterlebte.
Ein solcher war er, der uns die Tempel der Götter zurückgegeben hat – ein Mann, dessen Taten zu edel sind, um vergessen zu werden, und der selbst über jedes Vergessen erhaben ist.
Aber ich hatte geglaubt, dass jener, der kürzlich regierte [Anm.: Kaiser Valens], die Tempel der Andersgläubigen zerstören und verbrennen würde, da er die Götter zu verachten wusste. Doch er war besser, als erwartet: Er verschonte die Tempel der Gegner und scheute sich nicht, sogar gewisse Risiken einzugehen, um jene Tempel in seinem Herrschaftsbereich zu bewahren, die einst mit großer Mühe und ungeheuren Kosten errichtet worden waren.
Denn wenn überall Städte erhalten werden sollen – und wenn einige Städte gerade durch ihre Tempel herausragen –, dann sind diese Tempel ihre wichtigsten Schmuckstücke nach den Palästen des Kaisers. Wie also kann man rechtfertigen, dass keinerlei Sorge um sie besteht und keine Anstrengungen unternommen werden, sie als Teil des städtischen Gefüges zu erhalten?
Man sagt: „Es wird auch andere Gebäude geben, selbst wenn es keine Tempel mehr gibt.“
Aber ich denke, dass der Tribut für die Staatskasse von Bedeutung ist.
Lasst sie also stehen und besteuert sie.
Halten wir es für grausam, einem Menschen die Hand abzuschlagen – und betrachten es als unbedeutend, den Städten die Augen auszureißen?
Klagen wir nicht über Schäden durch Erdbeben?
Und wenn es keine Erdbeben gibt und keine anderen Katastrophen – sollen wir dann selbst das tun, was sonst nur Naturgewalten verursachen?
Sind die Tempel nicht ebenso kaiserliches Eigentum wie andere Güter?
Ist es die Art weiser Menschen, das eigene Eigentum zu zerstören?
Würde man nicht jeden für verrückt halten, der seine Geldbörse ins Meer wirft?
Oder wenn der Kapitän eines Schiffs die Taue zerschneidet, die das Schiff zusammenhalten?
Oder wenn jemand befiehlt, ein Ruder ins Wasser zu werfen – würde man das nicht für Unsinn halten?
Und doch soll es angemessen sein, dass ein Amtsträger einer Stadt einen solchen Teil entreißt?
Was für einen Sinn soll es haben, etwas zu zerstören, dessen Gebrauch man auch einfach umwidmen könnte?
Wäre es nicht beschämend, wenn ein Heer gegen die eigenen Stadtmauern kämpfte?
Oder wenn ein Feldherr die Soldaten anstachelte, das zu zerstören, was mit viel Mühe aufgebaut wurde – dessen Fertigstellung für die damaligen Herrscher ein Fest war?
Niemand, o Kaiser, soll meinen, dies sei ein Vorwurf gegen Sie persönlich.
Denn an der persischen Grenze liegt ein Tempel in Trümmern, dem keiner gleichkommt – wie jene berichten, die ihn gesehen haben –, so großartig war sein Steinbau, so weitläufig wie eine ganze Stadt. Im Krieg glaubten die Einwohner, dass der Feind durch die Einnahme der Stadt nichts gewinnen würde, da der Tempel uneinnehmbar war – seine Befestigung war allen Angriffen überlegen. Doch schließlich wurde er doch angegriffen – mit einer Wut, wie sie nur von den erbittertsten Feinden ausgeht, getrieben von der Hoffnung auf reiche Beute.
Einige streiten bis heute darüber, in welchem Zustand dieser Tempel das größere Wunder gewesen sei: so wie er einst war, oder so wie er nun vernichtet ist – wie auch beim Tempel des Serapis.
Aber dieser Tempel – so gewaltig und prachtvoll, mit seinem großartigen Dach und den zahllosen ehernen Statuen, nun im Dunkel und fern vom Licht der Sonne – ist ganz und gar vernichtet: ein Anlass zur Klage für jene, die ihn sahen, eine Quelle der Schadenfreude für jene, die ihn nie gesehen haben.
Oder vielmehr: Für jene, die ihn nie sahen, ist sein Fall zugleich Schmerz und Genugtuung – Schmerz über seinen Verlust, Genugtuung darüber, dass man ihn nie gesehen hat. Doch wenn man es richtig bedenkt: Dieses Werk ist nicht Ihres, sondern das Werk eines Mannes, der Sie getäuscht hat – ein gottloser Mensch, ein Feind der Götter, niedrig, habgierig, undankbar gegenüber der Erde, die ihn geboren hat, durch Verdienstlosigkeit aufgestiegen, und nachdem er aufgestiegen war, seine Macht missbrauchend.
Ein Sklave seiner Frau, die er in allem zufriedenstellte und über alles stellte, völlig unterworfen jenen, die solche Dinge lenken – deren einzige Tugend darin liegt, Trauerkleidung zu tragen, vor allem aber jenen unter ihnen, die auch noch grobe Gewänder weben.
Diese Werkstatt hat ihn getäuscht, beeinflusst und in die Irre geführt.
(Man sagt ja, dass auch Götter von Göttern getäuscht worden seien.)
Sie verbreiteten: „Die Priester haben geopfert – und so nahe, dass der Rauch ihnen in die Nasen stieg!“ Und wie einfältige Leute neigen sie dazu, Dinge aufzublähen, zu übertreiben und sich zu brüsten, als gäbe es nichts, das ihrer Macht entginge. Durch solche Erfindungen, Tricks und inszenierten Geschichten, die geeignet sind, Zorn zu schüren, haben sie den mildesten Vater unter den Kaisern überzeugt – denn das waren tatsächlich seine Tugenden: Menschlichkeit, Sanftmut, Mitgefühl, Milde, Gerechtigkeit – er zog es vor zu bewahren, statt zu zerstören.
Doch es gab auch bessere Ratgeber, die sagten: Wenn tatsächlich etwas derartiges geschehen sei, solle man es bestrafen – und Vorsorge treffen, dass es sich nicht wiederhole.Aber derjenige, der meinte, einen kadmeischen Sieg erringen zu müssen (d. h. einen mit beiderseitigem Schaden), setzte seinen Feldzug fort. Nachdem er sich selbst aber genügend Genüsse verschafft hatte, hätte er für das Volk sorgen sollen – nicht den Wunsch hegen, sich groß zu zeigen vor jenen, die die Mühen des Landes scheuen und sich – wie man sagt – in den Bergen mit dem Schöpfer aller Dinge unterhalten.
Doch mögen Ihre Taten, o Kaiser, für alle Menschen sichtbar als vortrefflich und lobenswert erscheinen. Denn es gibt jetzt viele, die sich als Ihre Freunde geben – bereit, Ihre Schatzkammern zu leeren –, und die behaupten, Ihr Reich sei ihnen lieber als das eigene Leben. Doch wenn es darauf ankommt, dass guter Rat und wirklicher Dienst gebraucht werden, dann sorgen sie sich nur um sich selbst. Und wenn jemand zu ihnen kommt und fragt, was das alles zu bedeuten hat, entschuldigen sie sich und erklären, sie hätten mit alledem nichts zu tun. Sie leugnen, etwas getan zu haben, oder behaupten, nur auf Befehl des Kaisers gehandelt zu haben – und wenn es Schuld gäbe, solle dieser sie tragen.
Solche Dinge sagen sie, wenn sie als Schuldige erkannt werden und keine Rechenschaft über ihr Tun geben können. Denn wie sollte man über solch großes Unrecht Rechenschaft ablegen? Gerade diese sind es, die jede Verantwortung von sich weisen – doch wenn sie unter vier Augen mit Ihnen sprechen, sagen sie: „Wir haben in diesem Krieg Ihrer Familie gedient.“ Sie erklären, sie hätten Ihr Haus beschützt – vor jenen, die zu Land und zu Wasser versuchen, Ihre Person zu verteidigen. Und mehr könne man von ihnen nicht erwarten, sagen sie. Denn unter dem Deckmantel von Freundschaft und Schutz erzählen diese Leute Geschichten über diejenigen, von denen sie angeblich Unrecht erlitten haben – und nutzen Ihre Gutgläubigkeit als Gelegenheit, noch größeres Unheil anzurichten.
Aber ich kehre nun zu jenen zurück, um ihre Ungerechtigkeit mit ihren eigenen Worten aufzuzeigen: Sagt mir also, aus welchem Grund ihr jenen großen Tempel zerstört habt? Doch nicht etwa deshalb, weil der Kaiser es gebilligt hat. Wer einen Tempel zerstört, hat kein Unrecht begangen, wenn der Kaiser es befohlen hat. Also haben jene, die einen Tempel auf Befehl des Kaisers niedergerissen haben, nichts Unrechtes getan.
Aber wer etwas tut, das nicht vom Kaiser gebilligt ist – der handelt Unrecht, nicht wahr?
Ihr jedoch – ihr gehört zu denen, die nichts dergleichen zur Rechtfertigung vorbringen können.
Sagt mir: Warum ist der Tempel der Fortuna noch unversehrt? Und der des Jupiter? Und der der Minerva und des Bacchus?
Weil ihr sie erhalten wolltet? Nein – sondern weil euch niemand die Macht über sie verliehen hat.
Diese Macht habt ihr euch aber gegen jene Tempel angemaßt, die ihr zerstört habt.
Wie also solltet ihr nicht strafwürdig sein?
Oder wie könnt ihr behaupten, euer Tun sei rechtens gewesen, wenn jene, die darunter litten, gar nichts Unrechtes getan haben?
Es hätte den Anschein einer solchen Anklage nur dann gegeben, o Kaiser, wenn Sie ein Edikt veröffentlicht hätten, mit folgendem Inhalt:
„Niemand in meinem Reich soll an die Götter glauben, noch sie verehren, noch von ihnen Gutes erbitten – weder für sich noch für seine Kinder –, es sei denn im Stillen und im Verborgenen. Alle aber sollen sich an den Orten einfinden, an denen ich selbst bete, und sich an den dort ausgeführten Riten beteiligen. Sie sollen dieselben Gebete sprechen wie jene dort und das Haupt neigen vor der Hand dessen, der die Menge leitet. Wer gegen dieses Gesetz verstößt, soll mit dem Tod bestraft werden.“
Ein solches Gesetz hätten Sie leicht erlassen können – aber Sie haben es nicht getan. Sie haben den Seelen der Menschen in dieser Sache kein Joch auferlegt. Zwar halten Sie eine bestimmte Glaubensform für besser als die andere – aber Sie beurteilen die andere nicht als Frevel, der mit gerechter Strafe zu ahnden wäre.
Sie haben diejenigen, die anders glauben, nicht von Ehren ausgeschlossen, sondern ihnen höchste Ämter verliehen und sie an Ihren Tisch geladen, um mit ihnen zu essen und zu trinken. Das haben Sie schon früher getan – und auch heute noch. Unter anderen haben Sie einen Mann [Anm.: vermutlich Tatianos oder Libanios selbst] in Ihre Nähe gezogen (weil Sie es für vorteilhaft für die Regierung hielten), der bei den Göttern schwört – sowohl öffentlich als auch vor Ihnen selbst. Und Sie nehmen daran keinen Anstoß; Sie fühlen sich durch diese Schwüre nicht verletzt; Sie halten ihn nicht für einen schlechten Menschen, weil er seine besten Hoffnungen auf die Götter setzt.
Wenn also Sie uns nicht zurückweisen – wie auch jener nicht, der die Perser mit Waffen besiegte, und der ebenfalls seine andersdenkenden Untertanen nicht ausgrenzte – welchen Vorwand haben dann diese Leute, uns zurückzuweisen?
Wie können diese Menschen ihre Mitbürger ausstoßen, nur weil sie in Glaubensdingen von ihnen abweichen? Mit welchem Recht führen sie ihre Übergriffe durch? Wie können sie den Besitz anderer an sich reißen – unter dem Zorn der betroffenen Regionen? Wie können sie das eine zerstören, das andere plündern – und zu allem Unrecht auch noch mit Stolz davon sprechen?
Wir, o Kaiser – wenn Sie es billigen und erlauben –, werden es ertragen.
Nicht ohne Schmerz, gewiss –
aber wir werden zeigen, dass wir gehorchen gelernt haben.
Doch wenn Sie ihnen keine Vollmacht gegeben haben, und sie dennoch kommen und den wenigen Besitz angreifen, der uns noch geblieben ist, oder unsere Mauern: Dann sollen Sie wissen, dass die Eigentümer des Landes sich verteidigen werden.
ENDE
Editorische Anmerkungen:
[a] Julian betrieb, was man als eine „heidnische Gegenreformation“ bezeichnen könnte: Sein erklärtes Ziel war nicht nur die Wiederzulassung des Heidentums, sondern dessen systematische Reorganisation und Stärkung als staatstragende Religionsform. In seiner Streitschrift Contra Galilaeos („Gegen die Galiläer“) zeichnete er das Christentum als irrational, kulturfremd und politisch gefährlich. Seine Maßnahmen zielten darauf ab, den Einfluss der christlichen Kirche nachhaltig zu schwächen: So verbot er Christen, klassische (heidnische) Literatur zu unterrichten, was einem faktischen Berufsverbot gleichkam. Darüber hinaus entzog er der Kirche staatliche Privilegien und förderte die Rückgabe von Kirchengut an frühere Eigentümer (oft heidnische Tempel). Besonders provokant war sein Versuch, den jüdischen Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen – ein politisch hochbrisanter Akt, der von vielen Zeitgenossen als offener Affront gegen das Christentum verstanden wurde.
Quellen:
Libanius, Oration 30: For the temples (Pro templis), tertullian.org
Bild: KI