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Ileane Lenart

Getötet, weil der Tod der Fürstenkinder nach Rache verlangte

Opfer der Hexenverfolgung in Siebenbürgen / Transsilvanien


Die Heilerin und Seherin Ileane Lenart aus Dej in Transsilvanien wurde im Jahr 1698 der Hexerei bezichtigt, gefoltert und (vermutlich direkt in Dej) hingerichtet.

Ileane Lenart
⛤ 1698, Transsilvanien, Rumänien

Hoheitsgewalt: Vasallenstaat unter osmanischer Oberhoheit, starke habsburgische Einflüsse
Herrschaftsform: Fürstentum
Landesherrschaft: Der Fürst unter habsburgischer Aufsicht in Wien
Reichszugehörigkeit: –
Reichskreiszugehörigkeit: –
Höchste kirchliche Autorität:
Für die orthodoxe Mehrheit: Callinicus II , Patriarch von Konstantinopel
Für die unierten (griechisch-katholischen) und römisch-katholischen Minderheiten: Papst Innozenz XII.
Höchste regionale kirchliche Autorität:
Orthodox: der Metropolit innerhalb der osmanischen Kirchenordnung, Atanasie Anghel Popa
Römisch-katholisch: Bischof vom Erzbistum Alba Iulia, Atanasie Anghel
Reformierte Kirche: Reformierte Superintendenten (Calvinistische Leitung, da große Teile des Adels calvinistisch waren)
Griechisch-katholische Kirche: Erst im Entstehen
Höchste weltliche Autorität: 
Formell: Der osmanische Sultan
Faktisch: Der römisch-deutsche Kaiser Leopold I. (seit der habsburgischen Besetzung ab 1687 zunehmend herrschend)
Höchste regionale weltliche Autorität: Mihail II. Apafi, Fürst von Siebenbürgen
Weitere Beteiligte:


Der Grund für die Hinrichtung von Ileane lag im persönlichen Schicksal des Fürstenpaares Mihail Apafi I. und Ana Bornemisza. Von ihren vierzehn Kindern überlebte nur eines das Kindesalter, was bei der Fürstin zu einem tiefgreifenden seelischen Zusammenbruch führte. Im Schmerz über den Verlust ihrer Kinder verfiel Ana Bornemisza in einen regelrechten Hexenwahn. Sie war davon überzeugt, verhext worden zu sein, und entwickelte eine krankhafte Angst vor Fliegen – sie hielt sie für verwandelte Hexen, die ihr nach dem Leben trachteten. In ihrem Wahn versteckte sie sich vor ihnen unter dem Bett, hinter dem Herd oder am Dachboden des Palastes. Es war, als hätte sich dieser Wahn in ihrer Seele festgesetzt, eine besessene Vorstellung, der sie sich nicht mehr entziehen konnte. Es gab Tage, an denen sie weinend klagte, sie könne den Hexen nie entkommen – und andere, an denen sie laut lachte und behauptete, sie habe sie besiegt. Im Laufe der Zeit verdichtete sich in ihrer Vorstellung der Verdacht, dass Ileane, ausgerechnet die Frau, die sie zuvor selbst öfter um Hilfe aufgesucht hatte, für das vermeintliche Unheil verantwortlich sei. So wurde Ileane schließlich zur Hexe und Kindsmörderin erklärt – und zur Projektionsfigur des Wahns ihrer Fürstin.

Ileane war in Dej nicht nur für ihre Kenntnisse über Heilkräuter, sondern vor allem für ihre Liebeszauber bekannt. Die Fürstin wird sie jedoch nicht aus romantischen Gründen aufgesucht haben, sondern in der verzweifelten Hoffnung, Hilfe oder zumindest Trost im Angesicht ihrer vielen Kinderverluste zu finden. Ileane galt als eine, die Zugang zu verborgenen Kräften hatte. Nach dem Tod der Fürstin im Jahr 1688 lebte Ileane trotz der gegen sie vorgebrachten Vorwürfe zunächst noch ein Jahrzehnt unbehelligt weiter. Doch die Worte der Fürstin, ihre Anschuldigungen und ihr Wahn blieben nicht ohne Wirkung. In den Kreisen der Fürstenfamilie, in der Hofgesellschaft und unter den Diener hielten sich die Verdächtigungen. Wie ein schwelender Brand glimmte der Verdacht weiter. Die Anschuldigungen der Fürstin bildeten später die Grundlage für die Prozesse, die lange nach dem Tod der Fürstin gegen Ileane und andere Frauen geführt wurden.

Nachdem die Fürstin im Alter von 53 Jahren verstorben war, hinterließ sie nicht nur einen zutiefst erschütterten Hof, sondern auch einen Ehemann, der längst in den Bann ihrer Obsession geraten war. Fürst Mihail Apafi I., bekannt für seinen übermäßigen Alkoholkonsum, hatte die Hexenhysterie seiner Frau übernommen – und bald darauf begann er, sie gezielt für seine eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Die vermeintliche Jagd auf das Böse wurde für ihn zum machtpolitischen Werkzeug: Durch die Anklage und Verfolgung vermeintlicher Hexen konnte er politische Gegner schwächen, unliebsame Stimmen zum Schweigen bringen und nicht zuletzt durch Beschlagnahmungen und Strafgelder seine Kassen füllen. Was als Wahn einer trauernden Fürstin begann, wurde unter Apafi zu einem System. Die Hexenprozesse wurden unter seiner Führung institutionalisiert – mit der Folge, dass zahllose unschuldige Frauen aus ganz Transsilvanien unter absurden Vorwürfen verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Auch der einzige überlebende Sohn des Fürstenpaares, Mihail Apafi II., führte diese dunkle Tradition fort. Von klein auf mit den Ängsten und Wahnvorstellungen seiner Eltern konfrontiert, übernahm er das ideologische Erbe und ließ die Verfolgung fortbestehen. Berichte aus jener Zeit zeichnen ein Bild des Grauens: Der beißende Gestank verbrannter Leichen habe selbst im Winter schwer über der Stadt gelegen. Der Philosoph, Professor und Schriftsteller Mihail Diaconescu brachte das Entsetzen später mit klaren Worten auf den Punkt: „Ganz Siebenbürgen wusste, dass in Alba der Teufel herrschte.“

Als Ileane Lenart der Hexerei angeklagt wurde, waren die rechtlichen und gesellschaftlichen Mechanismen für solche Verfahren bereits voll etabliert. Die Hexenverfolgung war unter dem Sohn der Fürstin, Mihail Apafi II., zu einem festen Bestandteil des politischen und sozialen Machtgefüges geworden. Ileanes Prozess fand vom 5. bis 9. August 1698, zehn Jahre nach dem Tod der Fürstin, statt. Er war das brutale Ergebnis eines über Generationen genährten Hasses – und eines eigens geschaffenen Systems, das Menschen ermordete, um die persönliche Familientragödie in einen äußeren Feind zu projizieren. Ileana Lenart und viele andere Frauen bezahlten den Verdrängungsmechanismus der Fürstenfamilie mit ihrem Leben.

Ileane wurde beschuldigt, die wahnsinnig gewordene Fürstin verhext, mit ihrer Magie ihr den klaren Verstand genommen und den Tod der Fürstenkinder herbeigeführt zu haben. Das Urteil stand rasch fest: Sie wurde zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Ileane Lenart wurde 1698 bei lebendigem Leibe verbrannt. Ihr Schicksal teilten auch andere Frauen aus den Kreisen der höfischen Oberschicht – enge Vertraute der Fürstin, die in früheren Jahren Ileanes Dienste selbst in Anspruch genommen hatten.

Der Fall Ileane Lenart war kein Einzelfall, sondern Teil einer groß angelegten Hexenjagd, die sich nach dem Tod der Fürstin Ana Bornemisza über mehrere Jahrzehnte über ganz Transsilvanien erstreckte.

„Diese Pythonisse also – eine Frau – soll zu bestimmten Zeiten mit gespreizten Beinen auf dem Dreifuß des Apollon sitzen. Und so steige der böse Geist von unten auf und fahre in den unteren Teil ihres Körpers, woraufhin er die Frau mit Wahnsinn erfülle. Dann beginne sie mit zerzaustem Haar wie eine Rasende zu tanzen, schäume aus dem Mund und spreche in ihrer Verzückung die Worte ihres Wahnsinns aus.“

Johannes Chrysostomos, 4. Jh. n. Chr., verbreitet in seiner Homilie 29 zum 1. Korintherbrief[1] Unwahrheiten über die Pythia und die griechische Religionspraxis


Quellen:
[1] Homilie 29 zum 1. Korintherbrief von Johannes Chrysosotomos, einem der drei heiligen Hierarchen, weiberkraft.com

Weiterführende Literatur zu Ileane Lenart:
ISTORIE: Vrăjitoarele din Cluj și Dej sfâșiate sub imperiul superstițiilor (GESCHICHTE: Die Hexen von Cluj und Dej – zerrissen unter dem Imperium des Aberglaubens), actualdecluj.ro
Povestea VRĂJITOARELOR din Dej. Ce le aducea condamnarea la moarte? (Die Geschichte der HEXEN von Dej – Was führte zu ihrer HInrichtung?), dej24.ro
The “flies” of Princess Anna Bornemisza, memoriaurbis.apulum.ro
Hexenverfolgung in Rumänien, weiberkraft.com


Bild: KI