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Litha

Die Sommersonnwende der Kelten

„Sunnawend, Sunnawend, dass mi nit das Feuer brennt, dass i bald z’heiraten kumm, drum tanz i drum herum.“
Aus dem Volksmund

Der 21. Juni ist der längste Tag des Jahres und gilt als offizieller Beginn des Sommers. An diesem Tag versammelten sich die Kelten zum Mittsommerfest Litha – benannt nach dem Monatsnamen(7) der vorchristlichen Angelsachsen für den Juni: Ærra Līða(6). Zu diesem Anlass zündeten sie ein Feuer, das sie nodfyr(4) nannten. Es handelte sich dabei um ein „reines“, weil „neues“ Feuer, das nicht wie gewöhnlich von einer bestehenden Feuerquelle genommen, sondern durch das Reiben von Hölzern eigens neu entfacht wurde.

Mit Litha begann die schönste Zeit des Jahres: der Sommer hielt Einzug. Und wie jeder weiß, ist gerade der Sommer die Jahreszeit der Verliebten. Zahlreiche junge Frauen im heiratsfähigen Alter blickten voller Sehnsucht diesem Tag entgegen – dem Moment, an dem sie sich mit Blumen schmücken und um das Feuer tanzen durften. Am Morgen des Festes pflückten sie eigens für diesen Anlass Margeriten und Eichenlaub – nicht schnatternd und gackernd, sondern ruhig und bedächtig. Denn die Blumen mussten schweigend gepflückt werden, da jedes gesprochene Wort den Zauber brechen konnte. Der Zauber, um den es sich dabei handelte, sollte sich in der Nacht entfalten, wenn die jungen Frauen den Kranz von ihren Haaren nahmen und unter ihr Kopfkissen legten. Dann nämlich sollte ihnen im Traum ihr zukünftiger Ehemann begegnen.

Beim Fest wurde reichlich Bier und süßer Met getrunken. Es gab Käse und Lachs, dazu wurden Süßigkeiten aus reifen Kirschen und Erdbeeren gereicht – festliche Speisen aus der Fülle der Natur. Danach befragten die jungen Mädchen das Liebesorakel, während sich die älteren Frauen und Männer gemeinsam mit den Druiden mit den Zeichen von Himmel und Erde beschäftigten, um daraus Wetter- und Ernteprognosen abzuleiten.

Wenn das Feuer langsam niederbrannte, fassten einige junge Männer all ihren Mut und sprangen über die Flammen – in der Hoffnung auf Glück in der Liebe. Nicht nur Glück konnten die jungen keltischen Männer gut gebrauchen – auch das Einverständnis ihrer Eltern war von großer Bedeutung. Wenn etwa ein Vater zur Sommersonnenwende ein verliebtes Paar in den Wald schickte, um die sagenumwobene Farnblüte zu suchen, dann war das mehr als ein harmloser Brauch. In manchen Fällen wurde die Heirat nämlich nur dann erlaubt, wenn die beiden diese Blüte fanden – doch genau darin lag die List: Die Farnblüte existiert nicht.

Während die jungen Frauen am Tag der Liebe tanzten und orakelten, widmeten sich die älteren und verheirateten Frauen ganz anderen Aufgaben. Auch sie sammelten Blumen – jedoch nicht, um sich damit zu bekränzen, sondern mit praktischem und fürsorglichem Blick auf das, was kommen würde. Sie trockneten die gesammelten Pflanzen für den Winter.

Das Sammeln von Heilkräutern war an diesem Tag von besonderer Bedeutung für die Keltenfrauen. Denn es hieß, dass die zur Sommersonnenwende gepflückten Kräuter von der vollen Kraft der Sonne durchdrungen seien – heilkräftiger, wirkungsvoller und segensreicher als zu jeder anderen Zeit im Jahr. Wenn die Mittsommernacht schließlich in den Morgen überging, war es Brauch, barfuß durch das taunasse Gras zu laufen. Dieses sogenannte „Taubaden“ galt als heilkräftig und segenspendend – ein symbolischer Beginn in die helle Jahreshälfte.

Dieses Fest feierten die Kelten mehrere Jahrhunderte lang – mit Feuer, Tanz, Orakeln und rituellen Handlungen tief verwurzelt im Rhythmus der Natur. Bis die Kirche begann, diese heidnischen Bräuche zu verbieten. Trotz der Verbote und Predigten hielten sich die Sonnenwendfeiern hartnäckig. Die Menschen ließen sich ihre geliebten Bräuche eben nur ungern nehmen.

Audoenus Rothomagensis (Audoin von Rouen), der Bischof von Rouen aus dem 7. Jahrhundert, ließ keinen Zweifel daran, dass es Bräuche zur Sommersonnwende gab, den die Kirche als unvereinbar mit dem Christentum sah: „Nullus in festivitate Sancti Ioannis vel quibuslibet sanctorum solemnitatibus solstitia, vel saltationes, aut caraulas, aut cantica diabolica exerceat“ – „Niemand soll zu Sankt Johannes oder an anderen heiligen Festtagen Sonnenwendfeiern, Reigentänze, Umzüge, satanische Lieder oder sonstige solche Dinge vollziehen.“ Diese scharfe Ermahnung des Eligius (Bischof von Noyon) – überliefert in seiner um 660 verfassten Predigt(3) – zeigt, dass Sonnwendfeuer und damit verbundene Rituale (Tanz, Sprung über die Flammen, Beschwörungsformeln) unter der Landbevölkerung üblich waren. Eligius nannte ausdrücklich die Johannisnacht (24. Juni), was darauf hindeutet, dass das alte Mittsommerfest im Volk mit dem christlichen Johannistag zusammenfiel.

Nach dem Willen der Kirche sollte das heidnische Sonnwendfeuer ursprünglich ganz verschwinden. Man strebte an, die alten Bräuche auszulöschen, um Platz für die christliche Ordnung zu schaffen. Doch bald zeigte sich, dass dieses Vorhaben kaum durchzusetzen war – die Menschen hielten fest an ihren überlieferten Riten und weigerten sich, ihre tief verwurzelten Traditionen aufzugeben. Als die kirchlichen Autoritäten erkannten, dass ein vollständiges Verbot ins Leere lief, änderten sie ihre Strategie: Statt die Bräuche zu verbannen, überlagerten sie die heidnischen Feste mit christlichen Inhalten. So fiel die Sommersonnenwende fortan nicht mehr nur auf den längsten Tag des Jahres, sondern wurde mit dem Gedenktag Johannes des Täufers am 24. Juni verknüpft. Das heilige Feuer durfte bleiben – jedoch nicht mehr als Sonnenwendfeuer, sondern als Johannisfeuer im Zeichen des christlichen Glaubens. Rund 900 Jahre später würden sie genau auf dieses Bild zurückgreifen, das Bild der bekränzten Frauen, die tanzend das Feuer umkreisen – und es zu teuflischen Hexensabbaten umdeuten.

Zu den ersten schriftlichen Aufzeichnungen von Festen zur Sonnwende gehört die Predigt De solstititia et aequinoctia(2) (Über Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen), die im 4. Jahrhundert n. Chr. von Johannes Chrysostomus(8) gehalten wurde. Sie enthält Argumentationsmuster, mit denen heidnische Feste durch christliche Bedeutung ersetzt oder überlagert wurden. Die Frühlingstagundnachtgleiche spielt in der Predigt von Chrysostomus die wichtigste Rolle. So soll Jesus zur Frühlingstgundnachtgleiche gezeugt worden sein, was der Grund für das jährlich wiederkehrende Zeichen des Himmels ist.

Genau das war auch die Anweisung, die Papst Gregor der Große im Jahr 601 zur Bekehrung der Angelsachsen gab. In seinem berühmten Schreiben(5) empfahl er, die heidnischen Tempel nicht zu zerstören, sondern in Kirchen umzuwandeln. Statt die alten Riten gewaltsam zu verbieten, sollten sie durch christliche Feste ersetzt werden, die an denselben Orten und zu ähnlicher Zeit abgehalten wurden.

In Europa feiern noch heute viele Menschen Litha, auch wenn sie es unter dem Namen Johannistag, Mittsommer oder einfach Sommersonnwende kennen. Egal welchen Namen diese Feste tragen, sie gehen in ihren Ursprüngen immer auf das ältere Litha zurück. Die christliche Umdeutung zur Johannisnacht (24. Juni) begann ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. – seitdem flossen heidnische und christliche Bräuche ineinander(1).

Die wichtigsten Rituale des keltischen Litha-Festes

  • Sammeln von Heilkräutern
  • Dekorieren von Haus, Hof, Mensch und Tier mit Sommerblumen
  • Herstellen von Kränzen
  • Sonnwendfeuer
  • Das Tanzen um das Feuer (die heiratsfähigen Mädchen)
  • Feuerspringen
  • Wetter- und Ernteprognosen
  • Liebesorakel
  • Taubaden

Die Symbolik des keltischen Litha-Festes

  • Die Zeit der Glühwürmchen
  • Fest der heiratsfähigen Mädchen
  • Die Zeit der Liebe
  • beliebter Hochzeitstermin
  • Bekränzte Mädchen
  • Das Sonnenrad (Triskele)
  • Feuer
  • Sonne
  • Eichenlaub
  • Bienen
  • Wasserquellen

Die wichtigsten Heilkräuter des keltischen Litha-Festes

  • Johanniskraut (Hypericum perforatum)
  • Beifuß (Artemisia vulgaris)
  • Eisenkraut (Verbena officinalis)
  • Labkraut (Galium verum)
  • Bärlapp (Lycopodium clavatum)
  • Wurmfarn (Dryopteris filix-mas)
  • Baldrian (Valeriana officinalis)
  • Salbei (Salvia)
  • Schafgarbe (Achillea millefolium)
  • Ringelblume (Calendula officinalis)

Die wichtigsten Blumen und Pflanzen des keltischen Litha-Festes

  • Margeriten
  • Kornähren
  • Efeu
  • Birkenzweige
  • Eichenlaub
  • Gerste

Die Früchte und Gaben des keltischen Litha-Festes

  • Kirschen
  • Erdbeeren
  • Walderdbeeren
  • Honig
  • Käse
  • Lachs
  • Bier
  • Met

Quellen:
(1) Brauchtumsforscher: Johannistag ist christlich und heidnisch, katholisch.de
(2) De solstitia et aequinoctia, weiberkraft.com
(3) Predigt gegen heidnische Bräuche von Audoenus Rothomagensis, aus dem Buch „Vita Sancti Eligii“, weiberkraft.com
(4) Indiculus superstitionum et paganiarum – Kleiner Index heidnischer und abergläubischer Bräuche, weiberkraft.com
(5) Brief über die Bekehrung der Angelsachsen, Papst Gregor der Große, 601 n. Chr., weiberkraft.com
(6) Ǣrra-Līða (Litha), wikipedia
(7) Die altenglischen Monatsnamen, tertullian.org
(8) Johannes Chrysostomus, die-bibel.de


Beitragsbild: KI