Die Legende des Gelehrten, dessen Weisheit die Grenzen des Menschlichen überstieg
“Es ist behauptet worden, dass das Buch Thot in Wirklichkeit das geheimnisvolle Tarot der Böhmen ist – ein seltsames emblematisches Buch mit achtundsiebzig Blättern, das sich im Besitz der Zigeuner befindet, seit sie aus ihrem alten Tempel, dem Serapeum, vertrieben wurden. (Den geheimen Geschichten zufolge waren die Zigeuner ursprünglich ägyptische Priester.)”
Manly P. Hall
3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung, in einer Zeit, als die Sterne anders standen, lebte in Ägypten ein weiser Gelehrter mit dem Namen Thot. Er war der Schreiber des mächtigen Pharaos und Träger einer Weisheit, die tiefer ging als der Nil. Schon zu seinen Lebzeiten genoss er Ansehen und Respekt für seinen reichen Wissensschatz, aus dem die Ägypter ihre Schrift erschufen.
Während seiner Zeit auf Erden erlebte Ägypten eine Ära des Friedens und des Wohlstands, und Thot wurde als der Architekt dieser Harmonie verehrt. In seinen Schriften verbarg sich die Essenz des Kosmos, und er hielt sie für die Nachwelt fest. Sein großes Werk, so erzählt die Legende, war ein heiliges Manuskript, so kraftvoll und mit solch detailreichen Anleitungen zur Ausübung von Magie, dass es nach seinem Tod in einem goldenen Behältnis aufbewahrt wurde. Es hieß, dass diese Schriftrolle die Essenz von Magie enthielt, so real und lebendig, dass es den Lauf des Lebens bewegen konnte. Erst am Ende seines Lebens, als die Schatten länger wurden, übergab Thot dieses wertvolle Vermächtnis einem würdigen Adepten. Wer den Schlüssel zu dieser Schriftrolle besaß, wurde zum Meister der Mysterien.
Die Legende von Thot, dem unsterblichen Gelehrten, durchdrang das geistige Gewebe der ägyptischen Kultur. Über Generationen hinweg wurde seine Weisheit weitergegeben. Sie wurde unbestreitbar, seine Lehren verschmolzen mit dem Göttlichen. Mit der Zeit ging er in die Annalen der ägyptischen Mythologie als Schreiber des Jenseits und Bewahrer der Seelenskalen ein. Auch heute noch, rund 5000 Jahre und ca. 200 Generationen nach seinem Tod, ist die Ehrfurcht vor seinen Lehren ungebrochen. Heute wird er von holistischen Akademikern, transpersonalen Psychologen, modernen Alchemisten und Vertretern der integralen Philosophie als ein Archetyp angesehen, der für die Einheit von Geist und Materie und die spirituelle Erkenntnis durch Vernunft steht.
Die Legende von Thot reiste von Ägypten aus mit fahrenden Händlern, Seeleuten und mutigen Entdeckern über Israel, Saudi-Arabien und die Türkei ins antike Griechenland. Dort verwandelte sich Thot in Hermes, den Boten der Götter, den Begleiter der Seelen und den Wächter verborgener Geheimnisse.
Mit der Zeit änderte sich das Bild von Hermes. Die Legenden über den weisen Ägypter wurden zu Erzählungen über einen weisen Griechen, seine Lehren aber blieben dieselben. Thot wurde in Europa zu Hermes Trismegistos, dem Dreifach-Großen. Sein Bildnis, einst ein ägyptischer Mann mit einer Ibis-Maske, verwandelte sich in das eines griechischen Weisen mit einem Turban, der das Universalgenie symbolisierte.
Wieder vergingen mehrere Jahrhunderte. Die ersten Bücher, die in Griechenland über ihn geschrieben wurden, verbreiteten sich über Italien aus in ganz Europa. Eines davon ist der sogenannte „Corpus Hermeticum“, eine Sammlung philosophisch-mystischer Traktate, die vor allem im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. in Ägypten unter griechischem Einfluss entstanden. Diese Texte verbinden ägyptische religiöse Vorstellungen mit griechischer Philosophie (besonders Platonismus und Stoizismus) und orientieren sich stark an spirituellen Themen wie der Göttlichkeit des Menschen, der Weisheit und der Erkenntnis.
Zur besseren Einordnung: Wir sprechen hier von einer Zeit, in der in Griechenland (damals Byzanz) der katholische Glaube erstarkte und Johannes Chrysostomus in seiner Predigt De solstitia et aequinoctia bereits versuchte, die traditionellen Feste an den Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen auf christliche Feste umzudeuten.
In den magischen Gesellschaften dieser Zeit wurde geflüstert, dass es Schriften von Hermes gebe, in denen die Antworten auf die Rätsel des Kosmos verborgen lägen. Die wichtigste Schrift von allen sei auf einer Tafel aus reinem Smaragd eingraviert – der Tabula Smaragdina. Auf ihr soll sich die Botschaft des Himmels verstecken. Jene, die das Privileg hätten, diese Botschaft zu lesen, würden von einer Erleuchtung ergriffen, die ihre Seele in Einklang mit dem Kosmos bringen sollte. Dafür müssten sie jedoch den Sinn, der hinter den Worten verborgen lag, begreifen.
Das Buch existiert immer noch; bis zum heutigen Tage wissen jedoch nur wenige Eingeweihte, um welches Buch es sich dabei handelt. Doch die Worte auf der Tabula Smaragdina konnten sich aus dem Verborgenen befreien. Wenn du das Geheimnis entschlüsselst und die Bedeutung hinter den Worten begreifst, wirst du zur Bewahrerin der alten Magie.
Bild: KI