Freie Übersetzung des Originals (griechisch) von Alvisi vom Roten Stein.
1.1 Als mir einst der Gedanke über die Existenz kam und meine Aufmerksamkeit sich zu den höchsten Dingen erhob, wobei meine leiblichen Sinne unterdrückt waren – wie bei einem festen Schlaf nach Überessen oder Ermüdung –,
1.5. da erschien mir eine Art Wesen von unermesslicher Größe, das mich bei meinem Namen rief und zu mir sagte: „Was willst du hören, sehen, verstehen, um durch deinen göttlichen Geist zu erkennen?“
2.1. — Ich fragte: „Wer bist du?“
— Er antwortete: „Ich bin Poimandres, der göttliche Geist der höchsten Macht. Ich weiß, was du willst. Ich bin immer mit dir.“
3.1 — Ich sagte: „Ich will die Existenz erkennen, ihren Ursprung begreifen und Gott erkennen. Wie“, fragte ich, „kann ich das erkennen?“
— Er sprach wiederum zu mir: „Behalte in deinem Geist, was du zu erkennen wünschst – ich werde dich lehren.“
4.1. Nachdem er dies gesagt hatte, veränderte er seine Gestalt, und sogleich öffnete sich mir ein Vorhang, und ich sah ein unendliches Licht. Es war heiter und freundlich, und ich geriet beim Anblick in Liebe. Doch kurz darauf erschien eine nach unten drängende Finsternis, tief und schwer.
4.5. Furchterregend und düster, krumm gewunden wie ein Schlangenkörper erschien sie mir. Dann verwandelte sich die Finsternis in eine feuchte Materie, in wildem Chaos bebend, Feuerrauch ausstoßend, und sie brachte einen Laut hervor wie ein klagender Schrei. Dann erhob sich aus ihr ein Getöse,
4.10. – gleichsam wie die Stimme des Feuers.
5.1. Und aus dem Licht trat ein heiliges Wort herab auf die Materie. Und ein ungezügeltes Feuer sprang aus der feuchten Materie empor, nach oben in den Himmel. Es war leicht und scharf und kraftvoll, und da die Luft von Natur aus auch leicht ist, folgte sie dem Lebenshauch,
5.5. der mit dem Feuer von der Erde und vom Wasser aus aufstieg, sodass es schien, als hinge sie an ihm.
5.10. Die Erde aber und das Wasser blieben bei sich, miteinander vermengt, sodass man die Erde nicht vom Wasser unterscheiden konnte. Sie bewegten sich aber durch das Wort, das über ihnen schwebte.
6.1. Poimandres fragte mich: „Hast du verstanden“, sagte er. „was diese Vision bedeutet?“ Und ich sprach: „Ich will es verstehen.“ – Er sprach weiter: “Jenes Licht, das von der feuchten Materie aus der Finsternis erschien, das bin ich, dein Gott. Und das lichtvolle Wort ist der Sohn Gottes.
6.5. – „Was also?“, fragte ich.
– „Verstehe also: Das in dir Sehende und Hörende ist das Wort des Göttlichen, dein Geist aber ist Gott, es ist das Göttliche. Sie sind nicht voneinander getrennt. Ihre Vereinigung ist das Leben.“
– „Ich danke dir“, sprach ich.
– „So denke nun über das Licht nach und erkenne es.“
7.1. Als er dies gesagt hatte, schaute er mich lange an, und ich begann vor seinem Anblick zu zittern. Als er dann seinen Blick wieder erhob, sah ich in meinem Geist das Licht – unermesslich an Kraft –, und ich sah eine unendliche Welt entstehen
und das Feuer wurde von einer gewaltigen Kraft festgehalten
7.5. Und ich erkannte, dass dies durch das Wort des Poimandres geschah.
8.1. Und als ich noch in Erstaunen war, sprach er wieder zu mir: “Du hast in deinem Geist das Urbild gesehen, das dem Ursprung der unendlichen Anfangskraft vorausgegangen ist” – dies sagte mir Poimandres.
– Das fragte ich: “Woher also stammen die Elemente der Materie?”
8.5. Da antwortete jener wieder: “Aus dem Willen Gottes haben sie, als sie das Wort empfangen und die schöne Welt erblickt hatten, sich gebildet. Durch die Elemente und die hervorgebrachten Seelen entstand die Weltordnung.
9.1. “Der göttliche Geist, der Gott, ist sowohl männlich als auch weiblich, ist das Leben und das Licht. Er gebar durch das Wort einen anderen schöpferischen Geist, einen Gott des Feuers und der Lebensenergie. Dieser erschuf sieben Lenker, die die materielle Welt umkreisen.
9.5. Sie werden das Schicksal genannt.
10.1. Sogleich sprang Gottes Ordnung wieder aus den niederen Elementen und vereinte sich mit dem schöpferischen Geist (denn es war von gleicher Wesenheit), und ließ die vernunftlosen, unteren Elemente in der Materie zurück.
10.5. Weil es war nur Materie.
11.1. Der schöpferische Geist aber bewegte die Kreise, die von der Ordnung umschlossen wurden. Er drehte seine Schöpfungen und ließ sie sich unendlich drehen, ohne Anfang und ohne Ende.
11.5. Durch diese Umkreisungen aber, die der göttliche Geist erschuf, wie er es wollte, entstanden aus den niederen Elementen lebendige Wesen ohne Vernunft (denn sie hatten nicht Anteil an der Ordnung). Aus der Luft entstanden Vögel, und aus dem Wasser Schwimmtiere. Und Erde und Wasser wurden voneinander getrennt, wie es der göttliche Geist wollte, und die Erde brachte aus sich selbst die Lebewesen hervor, die sie in sich trug.
11.10. Vierfüßige Tiere und Kriechtiere, wilde und zahme Tiere.
12.1. Das Göttliche, das Leben und Licht ist, zeugte den Menschen, ihm gleich, und es liebte ihn wie sein eigenes Kind. Denn er war vollkommene Schönheit, da er sein Ebenbild war. Und Gott verliebte sich in seine eigene Gestalt und übergab ihm
12.5. all seine Schöpfungswerke.
13.1. Und als der Mensch die Werke des Schöpfers erkannte, wünschte auch er, zu erschaffen, und es wurde ihm vom Göttlichen gewährt. Er begab sich in die Sphäre der Schöpfung, in der er alle Macht innehatte,
13.5 und betrachtete die Werke seines Bruders. Und er verliebte sich in sie und ein jedes Werk des schöpferischen Geistes übertrug ihm etwas von seiner eigenen Ordnung. Und als er ihr Wesen erkannt und Anteil an ihren gewonnen hatte, wünschte er, zum Umlauf der Kreise emporzusteigen, um die Macht desjenigen zu begreifen, der über dem Feuer thront.
14.1. Und der Mensch, der über die Welt der Sterblichen und die vernunftlosen Lebewesen alle Macht besaß, durchbrach den Einklang der Sphärenschalen und zeigte den unteren Elementen die schöne Gestalt Gottes.
14.5. Als diese ihn sahen – von unstillbarer Schönheit und alle Kraft der Lenker in sich tragend, die Gestalt Gottes selbst –, lächelten sie in Liebe. Als er aber selbst ins Wasser sah, erkannte er, dass das Spiegelbild seinem eigenen gleich ist. Diese Erkenntnis rief solche Liebe in ihm hervor, dass er mit seinem Spiegelbild leben wollte.
14.10. Sobald er seinen Willen ausgesprochen hatte, geschah es, und er vereinigte sich mit der vernunftlosen Gestalt. Die Materie aber, die ihren Geliebten ergriff, umschlang ihn ganz und sie vereinigten sich – denn sie waren Liebende.
15.1. Und deshalb ist der Mensch unter allen Lebewesen auf der Erde ein Doppelwesen: sterblich durch den Körper, unsterblich aber wegen dem Geist. Denn obwohl er unsterblich ist und über alles Macht besitzt, leidet er dennoch das Sterbliche, weil er dem Schicksal unterworfen ist.
15.5. Obwohl er über dem Wort steht, ist er doch selbst zum Ton geworden – ein Sklave. Obwohl er sowohl männlich als auch weiblich ist, vom Göttlichen stammend, das ebenfalls sowohl männlich als auch weiblich ist, wird er von der Unbewusstheit beherrscht.”
16.1. Danach sprach der göttliche Geist, der mein eigener ist: “Ich liebe das Wort.” Und Poimandres antwortete: “Das ist das verborgene Mysterium bis zu diesem Tag. Denn die Materie, die sich mit dem Menschen vermischt hatte, brachte etwas Wunderbares hervor.
16.5. Denn da er den Einklang der sieben Sphärenkräfte in sich trug, war seine Materie aus Feuer und Lebensenergie. Die Materie wartete nicht, sondern gebar sogleich sieben Menschen, den sieben Lenkern entsprechend, die ebenfalls sowohl männlich als auch weiblich – und himmlisch – waren.
16.10. “Und danach, o Poimandres?” Es kam in mir ein großes Verlangen auf, weiter zu hören. “Laufe nicht davon!” Und Poimandres sagte: “Schweige! Denn ich habe dir noch nicht den gesamten Sinn entfaltet.” — “Siehe, ich schweige”, sagte ich.
17.1. „Die Entstehung der sieben Sphären geschah auf folgende Weise: Die Erde war nämlich weiblich und das Wasser empfangend; und das Feuer war durchdringend. Aus dem Äther nahm der Geist die Lebensenergie, und die Materie brachte die Körper hervor nach dem Ebenbild des
17.5. Menschen. Der Mensch aber wurde aus Leben und Licht zu Seele und göttlichem Geist: aus dem Leben entstand die Seele, aus dem Licht der göttliche Geist. Und so blieben alle Dinge der sinnlich wahrnehmbaren Welt bis zum Ende des Kreislaufs, bis zum Beginn neuer Geschlechter.
18.1. Höre nun also, du, der du danach verlangtest, das Wort zu hören: Als dieser Kreislauf erfüllt war, wurde durch den Willen Gottes die Verbindung aller Dinge aufgelöst. Alle Lebewesen, die sowohl männlich als auch weiblich waren, wurden gemeinsam mit dem Menschen aufgelöst, und es entstanden männliche und weibliche Wesen je für sich.
18.5. Und sogleich sprach Gott durch das heilige Wort: “Wachset und vermehret euch, ihr Geschöpfe! Der Vernünftige erkenne sich selbst als unsterblich, und die Ursache des Todes als die Begierde.
19.1. Nachdem dies gesprochen war, richtete das Schicksal und der Klang die Vereinigungen ein und bestimmte die Zeugungen, und alles vermehrte sich nach Art und Gattung. Und der, welcher sich selbst erkannt hatte, gelangte zum erhabenen Guten, jener aber,
19.5. der den Körper begehrte, bleibt seitdem in der Dunkelheit gefangen, leidend unter den sinnlichen Dingen des Todes.”
20.1. „Was haben sie denn getan“, fragte ich, „dass sie der Unsterblichkeit beraubt wurden?“ — „Du scheinst, mein Sohn“, sagte er, „nicht verstanden zu haben, was du gehört hast. Habe ich dir nicht gesagt, du sollst mit dem göttlichen Geist erkennen?“ — „Ich verstehe und erinnere mich, und ich danke zugleich.“ — „Wenn du es verstanden hast,
20.5. dann sag mir, warum sind die Sterblichen des Todes würdig?“ — „Weil dem Körper die Finsternis vorausgeht. Aus der feuchten Materie, aus der der Körper im sinnlichen Kosmos besteht, speist sich der Tod.”
21.1. — „Du hast richtig verstanden, Mensch. Warum aber besitzt jener, der sich selbst erkennt, das Wort Gottes?“
— ich sagte, „Weil das Göttliche aus Licht und Leben besteht, und der Mensch aus ihm hervorgegangen ist.“
— „Du sagst es.“ sagte er.
21.5. “Gott, das Göttliche, ist Leben und Licht, und aus ihm ist der Mensch hervorgegangen. Wenn du also erkennts, dass du Leben und Licht bist, dann wirst du wieder ins Leben zurückkehren.“ Dies sagte Poimandres.
— „Aber sage mir noch, WIE werde ich ins Leben zurückkehren?“, fragte ich.
„O mein Geist, sag mir, was Gott gesagt hat.“
21.10. “Der vernünftige Mensch soll sich selbst erkennen.”
22.1. “Haben denn nicht alle Menschen einen Verstand?“ — „Schweig, der du da redest!” antwortete er, “ich selbst, der Geist, erscheine nur denen, die fromm und gut, rein und barmherzig sind, den Gottesfürchtigen. Und meine Gegenwart
22.5. wird ihnen zur Hilfe; sogleich erkennen sie alles und verehren liebevoll das Göttliche, danken, preisen und loben ihn mit voller Hingabe; und ehe sie den Leib dem eigenen Tod übergeben, werden ihre Sinne verschlossen.
22.10. Mehr noch: Ich, der Geist selbst, werde nicht zulassen, dass die aufdringlichen Wirkungen des Körpers ausgeführt werden. Als Torhüter werde ich die Zugänge für die bösen und schändlichen Wirkkräfte verschließen, indem ich die Gedanken abschneide.
23.1. Für die Törichten jedoch, die Bösen, die Schlechten, Neidischen, Habgierigen, die Mörder und die Gottlosen – von ihnen entferne ich mich,
und überlasse sie dem strafenden Dämon, der sich mit der Schärfe des Feuers auf sie stürzt.
23.5. Sie werden leiden für ihre Gesetzlosigkeiten, und es wird eine harte Strafe sein. Er wird nicht aufhören, unersättlich darin, nach noch mehr maßlosen Begierden zu verlagen, um damit seine Lust zu nähren, während sein Feuer dadurch immer weiter wächst.”
24.1. – “O Geist, du hast mich alles gelehrt, so wie ich es mir wünschte. Doch sage mir noch etwas über den Aufstieg derer, die erkannt haben.” – Daraufhin sprach Poimandres: “Zuerst, bei der Auflösung des Körpers, wird dieser Körper der Verwandlung übergeben.
24.5. Die Gestalt, die du hattest, wird sich auflösen, und deine Persönlichkeit wird dem Dämon übergeben. Und die Sinne des Körpers kehren zurück zu ihren eigenen Quellen, sie werden wieder zu einzelnen Teilen, die sich erneut mit den Energien vereinen. Zorn und Begierde gehen in die vernunftlose Natur über.
25.1. Und dann eilt die Seele hinauf durch die Sphäre des Klangs. In der ersten Sphäre gibt er die zeugende Energie ab, in der zweiten wird die Rachsucht wirkungslos,
25.5 in der dritten Zone wird die trügerische Wolllust wirkungslos gemacht, in der vierten die Maßlosigkeit, in der fünften der unheilige Hochmut, in der sechsten wird die Habsucht wirkungslos gemacht und in der siebten Zone die lauernde Lüge.
26.1. Und dann, durch die Wirkkräfte des Klangs vollständig entkleidet, gelangt er in die ogdoadische Sphäre, wo er gemeinsam mit dem Göttlichen singt und sich mit ihm über die Existenz freut.
26.5. Die bereits Anwesenden freuen sich über seine Ankunft. Sobald er ihnen gleich wird, hört er eine liebliche Stimme von gewissen Mächten über die ogdoadische Natur, die Gott loben. Dann steigen sie in geordneter Weise zum Göttlichen auf, und übergeben sich selbst den Mächten. Und sobald sie sich den Mächten hingeben werden sie eins mit Gott. Dies ist das gute Ende für diejenigen, die Weisheit erlangt haben: göttlich zu werden.
26.10. Was zögerst du also noch? Bist du nicht berufen, nachdem du alles empfangen hast? Werde ein Führer der Würdigen, damit durch dich das menschliche Geschlecht von Gott gerettet werde.”
27.1. Nachdem Poimandres dies gesagt hatte, vereinigte er sich mit mir durch die Kräfte. Ich aber dankte und pries das Göttliche, und wurde durch ihn erhoben, gestärkt und belehrt über die Natur des Alls. Ich begann, die höchste Weisheit
27.5. über die Schönheit der Frömmigkeit und der Erkenntnis den Menschen zu verkünden. O ihr Völker! Ihr irdisch Geborenen, die ihr euch dem Rausch und der Unbewusstheit und der Unwissenheit über Gott ausgeliefert habt – werdet nüchtern, hört auf, euch im Rausch zu verlieren, ihr, die ihr von der vernunftlosen Unbewusstheit gefesselt seid!
28.1. Diejenigen, die hörten, kamen zusammen. Ich aber sprach: “Warum habt ihr euch, o ihr irdisch Geborenen, dem Tod ausgeliefert, wo ihr doch die Macht habt, an der Unsterblichkeit teilzuhaben? Kehrt um, ihr, die ihr dem Irrtum gefolgt seid!
28.5. „Befreit euch von eurer Unwissenheit, löst euch von der Finsternis. Empfangt die Unsterblichkeit, indem ihr die Vergänglichkeit hinter euch lasst.”
29.1. Einige von ihnen jedoch verspotteten die Weisheit. Sie zogen sich zurück und überließen sich selbst dem Weg des Todes. Andere aber baten darum, unterrichtet zu werden und warfen sich mir zu Füßen. Ich aber richtete sie auf und wurde Führer ihres Geschlechts, indem ich die Lehren verkündete.
29.5. Ich lehrte sie, wie und auf welche Weise sie gerettet werden würden, und säte in sie die Worte der Weisheit, und sie wurden genährt vom Quell der Unsterblichkeit. Und als der Abend gekommen war und die Sonne unterging, trug ich ihnen auf, Gott zu danken, und jeder einzelne brachte seinen Dank dar
29.10. und kehrte dann heim.
30.1. Ich aber schrieb das Wohlwollen des Poimandres in mich selbst ein, und erfüllt von dem, was ich ersehnt hatte, wurde ich erleuchtet. Denn die Unbewusstheit des Körpers verwandelte sich zur Bewusstheit der Seele, und das Schließen der Augen zur wahren Einsicht, und das Schweigen zur Erkenntnis,
30.5. und das Aussprechen des Wortes wurde zu etwas Gutem. Dies geschah mir, weil ich es von meinem Geist empfing – das heißt: von Poimandres. Durch die göttliche Inspiration gelangte ich zur Wahrheit. Darum bringe ich aus ganzer Seele den Segen des Gottes dar.
31.1. Heilig ist Gott, das Göttliche. Heilig ist Gott, dessen Wille durch seine Macht geschehe. Heilig ist Gott, der erkannt werden will und von denen erkannt wird, die erkennen wollen.
31.5. Heilig bist du, der du durch dein Wort die Existenz geordnet hast. Heilig bist du, dessen Abbild die Natur ist. Heilig bist du, den die Natur nicht geformt hat. Heilig bist du, der stärker ist als jede Kraft.
31.10. Heilig bist du, der du größer bist als jede Erhabenheit. Heilig bist du, der du erhabener bist als jedes Lob. Nimm an die vernünftigen Opfer, rein, aus Seele und Herzen, zu dir emporgehoben. Du Unaussprechlicher, Unnennbar, im Schweigen Angerufener.
32.1. Ich bitte darum, mich zur Erkenntnis zu führen. Inspiriere mich und stärke mich, damit ich durch deine Gnade diejenigen erleuchte, die in Unwissenheit innerhalb des Menschengeschlechts sind – meine Brüder, deine Söhne. Deshalb glaube ich und bezeuge,
32.5. dass ich Leben und Licht in mir trage. Gepriesen seist du, Gott! Dein Mensch will mit dir zusammenwirken, so wie du ihm alle Macht übergeben hast.
ENDE
Quellen:
Poimandres, Original in griechischer Sprache, pdf
Poimandres, Original in giechischer Sprache, Online-Text
Poimandres, deutsche Übersetzung der Ruhr-Universität Bochum
Hinweise zur Übersetzung:
1. Es ist sicher und textlich eindeutig belegt, dass die Hermetiker Gott als männlich-weiblichen Geist verstanden – nicht im Sinne eines Geschlechts. Die Hermetiker bewegten sich in einem kulturellen Umfeld, das von patriarchalem Sprachgebrauch durchdrungen war. Begriffe wie „Vater“, „Herr“, „Sohn“ waren geläufige Träger von Autorität und Transzendenz. Sie griffen also auf vertraute Begriffe zurück, um neue, tiefere Bedeutungen in diese Worte einzubetten – um das Bekannte zu transformieren. Ich habe die Worte „Vater“ und „Herr“ durch „das Göttliche“ ersetzt.
2. Der griechische Begriff νοῦς (nous) bezeichnet im klassischen und spätantiken philosophischen Kontext den göttlichen Aspekt des Denkens und Erkennens. Ich habe den Begriff durchgehend mit dem Begriff „göttlicher Geist“ übersetzt.
3. Der griechische Begriff πνεῦμα (pneuma) bedeutet wörtlich „Hauch“ oder „Atem“. Im ursprünglichen Sinn bezeichnet pneuma den lebensspendenden Atem, den Menschen und Tiere zum Leben brauchen. Ich habe den Begriff durchgehend mit „LEbenshauch“ oder „Lebensenergie“ übersetzt.
Beitragsbild: KI