Zum Inhalt springen
Startseite » Hexenverfolgung » Brigida Prandtstetterin

Brigida Prandtstetterin

Die Frau, die bis heute verdächtigt wird, ohnehin schuldig gewesen zu sein

Opfer der Hexenprozesse in Gutenstein


Die Bäuerin Brigida Prandtstetterin (auch: Brigitta Brandstätter) aus Gutenstein (Längapiesting), zweifache Mutter und Ehefrau von Georg Prandtstetter, wurde der Hexerei beschuldigt, eingekerkert, gefoltert und zum Tode verurteilt.

Brigida Prandtstetterin
⛤ 18.6.1641, Österreich

Hoheitsgewalt: Habsburgische Erblande
Herrschaftsform: Feudalgrundherrschaft (Herrschaft Gutenstein)
Landesherrschaft: Erzherzogtum Österreich unter der Enns
Reichszugehörigkeit: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
Reichskreiszugehörigkeit: Teil der österreichischen Donau-Kreisstruktur
Höchste kirchliche Autorität: Papst Urban VIII.
Höchste regionale kirchliche Autorität: Erzbistum Wien, Fürstbischof Philipp Friedrich Graf von Breuner; Dekanat Piesting
Höchste weltliche Autorität: Kaiser Ferdinand III. / Erzherzog von Österreich
Höchste regionale weltliche Autorität: Marktgericht unter der Herrschaft von Fürst Hoyos. In dem Feudal-/Landesrechtssystem gab es keinen Stadtrechtsbür­germeister wie heute. Stattdessen übte der Pfandherr (Hoyos) die marktrechtliche Obrigkeit aus. Einen Bürgermeister, wie bei Stadtgemeinden üblich, gab es 1641 nicht. Die Verwaltung erfolgte über das Landgericht Gutenstein.

Gutenstein blieb von den Kampfhandlungen des Dreißigjährigen Krieges verschont. Ebenso von der Türkenbelagerung. Selbst die Pest brach erst dreizehn Jahre nach dem Tod von Brigida aus. Man könnte also sagen, dass Gutenstein zu ihrer Lebenszeit ein Ort der Glückseligkeit war. Dennoch kam es zu mehreren Hexenprozessen – wobei ihr Fall nur der bekannteste ist.

Brigidas Hinrichtung fällt in die Schlussphase einer intensiven niederösterreichischen Hexenverfolgung, die ihren Höhepunkt in den Jahren 1610 bis 1650 erlebte. Wie der Verdacht gegen sie entstand, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen: Es existieren weder Berichte darüber, wer die Anschuldigungen erhob, noch, ob überhaupt offiziell Anzeige gegen sie erstattet wurde. Frauen wurden im 17. Jahrhundert vielfach allein aufgrund von Gerüchten der Hexerei angeklagt – und das trotz der eigentlich moderateren Vorgaben der Constitutio Criminalis Carolina[1]. Die Carolina, das erste allgemeine Strafgesetzbuch des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (und damit auch Österreichs), schrieb vor, dass Schadenszauber nachgewiesen werden musste, um die Todesstrafe verhängen zu können. Nur: In der Praxis wurden diese Vorgaben regelmäßig unterlaufen. Indizien wie verdächtiger Umgang, Gerede im Dorf oder Nähe zu bereits verurteilten „Hexen“ hatten großes Gewicht. Die Carolina wurde spätestens dann, wenn es um Hexenprozesse ging, zum Ausnahmeverbrechen erklärt, was erlaubte, von den strengen Beweisregeln abzuweichen und die Schwelle für Folter und Verurteilung drastisch zu senken.

Im Umfeld von Brigidas Schicksal spielten sicherlich auch die spektakulären Gerüchte eine Rolle, von denen in Gutenstein zu ihrer Lebenszeit wohl jeder gehört hatte. Erzählungen wie diese wirkten wie ein mächtiges Echo: Kaum verbreitet, konnten sie den betroffenen Menschen, aber auch völlig unbeteiligte Dritte, nachhaltig beschädigen. Rufmord wirkt subtil, aber unaufhaltsam: Er konnte die Glaubwürdigkeit anderer, ähnlicher Geschichten steigern. Das Gerede handelte von zweien Dorfrichtern aus Oslip, Hans Tergoschitz und Niklas Jacobschitz, die im Jahr 1635, also sechs Jahre vor Brigidas Hinrichtung, beschuldigt worden waren, gemeinsam mit einer Schar weiterer Angeklagten auf den Schneeberg geflogen zu sein, um dort einen Hexensabbat abzuhalten – bei dem sie Kinder verzehrten und Wetterzauber betrieben. Zahlreiche Elemente dieser Geschichte übertrugen sich auf Brigida und fanden Eingang in die Anklage gegen sie.

In den Prozessakten wird Brigida als eine „arme Häuslerin“ beschrieben – eine Frau aus der untersten bäuerlichen Schicht – und zudem als ein „altes Weib aus der Längapiesting“. Historische Untersuchungen zeigen, dass gerade ältere und arme Frauen am Land bevorzugt als Hexen angeklagt wurden, weil sie kaum mit Hilfe oder Fürsprache aus der Bevölkerung rechnen konnten. Verleumdungen konnten also besonders leicht ihren Weg in Anklageschriften und Prozesse finden. Brigida war zum Zeitpunkt der Anklage mindestens Mitte vierzig, möglicherweise auch viel älter. Es war also ein Leichtes, Brigida der Hexerei zu bezichtigen.

Und so wurde die Geschichte vom Schneeberg weitergesponnen: uch Brigida soll – wie zuvor die Osliper Zauberer – auf den Schneeberg geflogen sein. Allerdings, und hier zeigt sich die blühende Fantasie mancher Zeitgenossen, soll sie dies „auf der Ofenschüssel“ getan haben. Dort habe sie anschließend „die Kühe ausgemolken“. In den überlieferten Annalen jener Zeit finden sich jedoch keinerlei Hinweise auf außergewöhnliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit Vieh – weder Krankheitsausbrüche, auffällige Verkäufe noch magisch motivierte Verdächtigungen. All dies deutet darauf hin, dass auch diese Anschuldigung frei erfunden war.

Brigida wurde im Frühjahr 1641 festgenommen. Der schwerwiegendste Vorwurf gegen sie lautete auf Blutschande: Sie habe sexuellen Verkehr mit ihrem Sohn Steffl gehabt. Doch wie bei zahlreichen Anschuldigungen im Kontext der Hexenprozesse ist auch in diesem Fall davon auszugehen, dass es sich um eine konstruierte und gezielt eingesetzte Behauptung handelte, die weniger der Wahrheitsfindung als vielmehr der Diffamierung und Verurteilung diente. Ihr wurden außerdem die stereotypen „Verbrechen“ zur Last gelegt, wie sie in der Frühen Neuzeit typischerweise Frauen unter dem Verdacht der Hexerei angelastet wurden: Dazu zählten unter anderem Schadenzauber, die Teilnahme an nächtlichen Hexensabbaten sowie das magische Ausmelken von Kühen direkt auf der Weide.

Wenn bereits die übrigen Anschuldigungen so offensichtlich unglaubwürdig erscheinen, lässt sich auch dem Vorwurf der Blutschande kein ernsthafter Wahrheitsgehalt beimessen. Nach ihrer Festnahme im Frühjahr 1641 wies Brigida sämtliche Beschuldigungen entschieden zurück. Erst im Juni desselben Jahres legte sie ein Geständnis ab – allerdings nicht freiwillig, sondern unter dem Einsatz schwerster Foltermethoden, darunter die Strangschraube, vermutlich an Daumen oder Beinen, sowie der Wippenzugs[2]. Es ist hinlänglich bekannt, welchen Stellenwert Geständnisse haben, die unter derart unmenschlichem Zwang zustande kamen. Vor diesem Hintergrund ist Brigida von sämtlichen gegen sie erhobenen Vorwürfen vollumfänglich zu rehabilitieren.

Der Prozess fand am 18. Juni 1641 auf der Burg Gutenstein[3] statt. Brigida wurde für schuldig befunden und noch am selben Tag bei lebendigem Leibe verbrannt. Brigidas Ehemann Georg musste die Kosten der Hinrichtung tragen und wurde aus dem Gerichtssprengel Gutenstein ausgewiesen.

Der Fall der Brigida Prandtstetterin zählt zum Kreis der sogenannten Schneeberg-Hexen. Im Volksglauben galt der Schneeberg als einer der wichtigsten Versammlungsorte für Hexen, und diese Vorstellung verbreitete sich weit über die Region hinaus – bis ins heutige Burgenland, wo etwa die Hexenprozesse von Oslip mit den Schneeberg-Hexen in Verbindung gebracht wurden. Im Gutensteiner Tal lebte die Erinnerung an diese Vorstellungen noch lange weiter: Noch im 19. Jahrhundert waren dort Sagen über die Schneeberg-Hexen im Umlauf.

Bis heute wird nach wie vor der Anschein erweckt, Brigida sei sowieso schuldig gewesen. Ihr Eintrag auf der Seite gedaechtnisdeslandes.at wird der Kategorie „Außenseiterinnen“ (anstatt der Kategorie „Justizwahn“ oder „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“) zugeordnet, und das, obwohl es keinerlei Belege für die Anschuldigungen gibt, die Brigida vorgeworfen wurden.

Bis heute wird in zeitgenössischen Schriften über Brigida vermittelt, sie sei im Grunde schuldig gewesen. Auf der Website gedaechtnisdeslandes.at ist ihr Eintrag der Kategorie „Außenseiterinnen“ zugeordnet[4] – und nicht etwa „Justizwahn“ oder „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Und das, obwohl es keinerlei belastbare Belege für die gegen Brigida erhobenen Anschuldigungen gibt.

„Doch sind auch bis heute noch bärtige Männer vorhanden, die von Hexenweibern in lästiger Weise auf derlei Gebiete beunruhigt wurden, so daß sie sich gleichsam auf keine Art und Weise der Raserei der Liebe zu ihnen erwehren konnten; sie widerstanden jedoch mannhaft, wenn sie merkten, daß sie weiter in Unruhe versetzt wurden durch Lockungen der Einbildungskraft, und überwanden doch auch durch die vorerwähnten Schutzmittel alle Machenschaften des Teufels. Und wahrlich ein Spiegel dieser Schlacht ist ein gewisser sehr reicher Jüngling in Innsbruck: wie der von den Hexen gestoßen worden ist, kann man nicht mit dem Griffel niederschreiben. Er zeigte aber immer mannhaften Mut und kam kraft der vorerwähnten Mittel unberührt davon.“
Heinrich Kramer, Malleus Maleficarum, 2. Teil, Kap.3


Quellen:
[1] Der Malleus Maleficarum, weiberkraft.com
[2] Wippenzug, wikipedia
[3] Burg Gutenstein, burgen-austria.com
[4] Brigida Prandtstetter Eintrag bei gedaechtnisdeslandes.at

Gerichtsprotokoll (Abschrift, 17. Jh.), NÖ Landesarchiv, Sign. LG Gutenstein 164, Kurzregesten, Urteil, Kostenrechnung

Weiterführende Literatur zu Brigida Prandtstetterin:
Geschichte der Marktgemeinde Gutenstein, gutenstein.at
Ortsgeschichte Gutenstein, gedaechtnisdeslandes.at


Bild: KI