Ein wahrer Kern verbirgt sich nicht nur in Märchen. Oft findet man den wahren Kern auch in historischen Erzählungen erst dann, wenn man genauer hinsieht. Zum Beispiel in der Geschichte von König James I, dem König von England.
Bekannt ist König James I. (in Schottland James VI.) als Sohn der Königin von Schottland, Maria Stuart und als jener Monarch, der den Auftrag zu einer neuen Bibelübersetzung („King-James-Bibel“) gab. Weniger bekannt ist, dass er entschiedener Verfechter der Hexenverfolgung war und dabei mit äußerster Grausamkeit vorging. Viele Historiker halten ihn daher für einen paranoiden oder zumindest übermäßig misstrauischen Regenten.
Europa im Bann der Glaubenskriege
Wir schreiben den wahren Kern einer Geschichte, die sich in einer Zeit ereignete, in der das protestantisch geprägte England alles daran setzte, katholische Einflüsse militärisch abzuwehren. Es war das späte 16. Jahrhundert – eine Epoche voller Spannungen zwischen den christlichen Konfessionen, die letztlich auch den Boden bereiteten für das erbarmungslose Vorgehen gegen Frauen, die der Hexerei verdächtigt wurden. England war zu dieser Zeit bereits protestantisch, Nachbarländer wie Spanien hielten jedoch am katholischen Glauben fest. Dies führte zu einer tiefen politischen und religiösen Spaltung Europas – und zu einem Klima des Misstrauens, in dem jeder, der von der offiziellen Glaubens- oder Gesellschaftsordnung abwich, schnell als Feind galt. Der Konflikt zwischen protestantischem England und katholischen Mächten wie Spanien oder dem Vatikan wurde nicht nur auf Schlachtfeldern ausgetragen, sondern auch in Gerichtssälen, auf Scheiterhaufen und in den Köpfen der Menschen.
Ein Sturm, eine Braut und der Beginn einer Hexenjagd – König James verfällt dem Teufel
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Dann dürfen also auch Kinder nicht verschont werden?Epi:
Nein, kein Haarbreit weniger in meiner Schlussfolgerung.James I., Daemonologie, 1597
Alles begann im Jahr 1589. Der damals 22-jährige James machte sich auf eine Reise nach Dänemark. Dort sollte er die 14-jährige Prinzessin Anna von Dänemark heiraten. Frisch verheiratet und auf dem Rückweg nach Schottland geriet sein Schiff in einen schweren Sturm. Diese persönliche Erfahrung war ein zentraler Auslöser für seine spätere Obsession mit Hexerei und Dämonologie. In Dänemark kursierten zu dieser Zeit bereits Berichte über angebliche Hexen, die für ähnliche Stürme verantwortlich gemacht wurden. Diese Vorstellung übertrug sich auf James, der begann, die Idee einer dämonischen Verschwörung gegen seine Person ernst zu nehmen.
James entwickelt ein reges Interesse an Okkultismus, Dämonologie und Hexenverfolgung
Meine Absicht mit dieser Schrift ist es einzig, zwei Dinge zu beweisen, wie ich bereits sagte: Erstens, dass es solche teuflischen Künste gegeben hat und gibt. Zweitens, welche genaue Prüfung und harte Strafe sie verdienen.
James I., Daemonologie, 1597
Es kam zu den North-Berwick-Hexenprozessen (1590), bei denen James eine direkte Rolle spielte. Er war von der Vorstellung überzeugt, dass Hexen gezielt versucht hatten, ihn durch Magie zu töten – und sah sich dadurch selbst als göttlich eingesetzter Monarch im Kampf gegen das Böse. James nahm persönlich an Verhören teil, vor allem an jenem von Agnes Sampson. Als diese intime Details aus seiner Hochzeitsnacht preisgab (angeblich vom Teufel erfahren), war er schockiert – und überzeugt von ihrer Schuld. James interpretierte dies als Beweis, dass der Teufel gegen ihn selbst arbeite.
Daemonologie – das einflussreiche Werk, das Europas Blick auf Hexerei für Generationen prägte
Jakob meint, Frauen seien:
• „von Natur aus schwächer“
• „leichter zu verführen“
• schon durch die Geschichte Evas „erwiesenermaßen anfällig“
Er sieht also eine theologisch begründete Anfälligkeit des weiblichen Geschlechts für teuflische Verführung.
James I., Daemonologie, 1597
Von da an unterstützte und förderte er die Prozesse mit Nachdruck. Die North-Berwick-Hexenprozesse weiteten sich aus, viele Verdächtige wurden gefoltert und hingerichtet. James nutzte seine Erfahrungen später für sein Werk Daemonologie (1597) und legte damit die ideologische Grundlage für weitere Verfolgungen in Schottland. In dem Buch bekräftigte er den christlichen Glauben an das Wirken des Teufels in der Welt und bestärkte die Justiz darin, mit aller Härte gegen Hexerei vorzugehen. Skeptiker wie Reginald Scot und Johann Weyer verurteilte er hingegen scharf.
Ich meine damit etwa Sprüche, wie sie einfältige Frauen oft benutzen: zum Heilen von „versprochenem“ (verhextem) Vieh, zum Schutz vor dem „bösen Blick“ durch das Anbinden von Ebereschenzweigen oder Kräutern an Haar oder Schweif des Viehs; zur Heilung von Würmern, zum Stillen von Blutungen, zum Heilen von Pferdekrankheiten, zum „Wenden der Siebschaufel“, oder unzählige andere Dinge, die durch bloße Worte geschehen – ohne dass etwas Heilendes angewendet wird, wie es Ärzte tun.
James I., Daemonologie, 1597
König James I. wird in der Geschichtsschreibung oft als kultivierter Förderer der Künste und als Initiator der King-James-Bibel dargestellt. Diese Darstellung blendet jedoch einen wahren Kern aus: seine fanatische Besessenheit von Hexen. Dass er eine aktive Rolle bei grausamen Hexenverfolgungen spielte und selbst zur ideologischen Legitimation dieser Gewalt beitrug, wird häufig verdrängt. Gerade dieser Aspekt offenbart jedoch viel über das Klima von Angst, Macht und religiösem Wahn, das die Epoche prägte.