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Ließ Loher

Nahm sich vor der Hinrichtung das Leben

Opfer der Hexenprozesse von Rhens


Ließ Loher aus Rhens wurde im Jahr 1575 der Hexerei bezichtigt und gefoltert. Um der qualvollen Hinrichtung zu entgehen, nahm sie sich im Kerker das Leben. Da die beiden Mitangeklagten lediglich aus der Stadt verbannt wurden, ist es denkbar, dass auch Ließ die reale Chance gehabt hatte, ihr Leben zu retten.

Ließ Loher
⛤ Juni 1575, Deutschland

Hoheitsgewalt: Kurfürstentum Köln
Herrschaftsform: Kurkölnische Stadt unter hessischer Pfandverwaltung
Landesherrschaft: Landesherr Salentin von Isenburg-Grenzau, Kurfürst-Erzbischof von Köln
Reichszugehörigkeit: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
Reichskreiszugehörigkeit: Mittelrheinischer Reichskreis
Höchste kirchliche Autorität: Landgraf Philipp II. von Hessen-Rheinfels („summus episcopus“)
Höchste regionale kirchliche Autorität: Pfarrer der Pfarrkirche St. Dionysius, Tilmann Stubach
Höchste weltliche Autorität: Kaiser Maximilian II.
Höchste regionale weltliche Autorität: Hessischer Amtmann oder Schultheiß (protestantische Verwaltung)
Konfessionszugehörigkeit: evangelisch (lutherisch geprägt)
Weitere Beteiligte:
Zwar sind die Akten verloren, doch da Ließ gemeinsam mit Lucia Hermann angeklagt war, lässt sich vermuten, dass in ihrem Verfahren dieselben Beteiligten wie im Fall Lucias eine Rolle spielten.
Stadtschreiber Severin Hachemer
Rat Knittel
Schultheiß und Rhenser Pfarrer Tilmann Stubach

Ließ Loher gehörte zu den Opfern der ersten Verfolgungswelle in Rhens, die sich an die Hexenprozesse im benachbarten Braubach von 1570 anschloss. Vor ihr war in Rhens noch keine Frau wegen Hexerei zum Tode verurteilt worden.

Das Leben von Ließ Loher

Über die Herkunft und den Lebensweg von Ließ Loher ist kaum etwas bekannt. Weder ihr Geburtsort noch ihr Geburtsjahr sind überliefert, einzige familiäre Information ist, dass sie verheiratet war: Ehemann war der Bürger Clas Loher[1]. Somit lassen sich lediglich die Ereignisse aus ihrer Lebenszeit in Rhens und der näheren Umgebung nachvollziehen.

Ließ gehörte zu den ersten vermeintlichen Hexen, die in Rhens verfolgt, gefoltert und verurteilt wurden. Die Angst vor der Hinrichtung lässt sich daher nicht mit lokalen Erfahrungen erklären. Im Nachbarort Braubach (1570) jedoch hatte es bereits Hinrichtungen gegeben. Nachrichten von solchen Ereignissen verbreiteten sich rasch entlang des Mittelrheins und werden vermutlich auch Ließ erreicht haben.

Außerdem reichten schon die Haftbedingungen im „Hexenturm“ und die „peinliche Befragung“ unter Folter aus, um Ließ klar zu machen, wohin der Weg normalerweise führte. Selbst wenn ein Urteil noch nicht gesprochen war, hing die Drohung mit dem Scheiterhaufen über jedem Geständnis. Und selbst im Fall einer Freilassung waren die Opfer meist schwer gezeichnet – mit dauerhaft verletzten Gliedmaßen oder anderen bleibenden Schäden.

Für die erste Welle der Hexenprozesse in Rhens (1575) sind die konkreten Verhörprotokolle leider nicht überliefert – die entsprechenden Akten sind verloren. Für die zweite große Verfolgungswelle in Rhens (1628–1630) sind im Unterschied zu 1575 detaillierte Prozessakten überliefert (im Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 27). Dort wird klar, dass die volle Bandbreite der damals gebräuchlichen Foltermethoden eingesetzt wurde, um Geständnisse zu erzwingen:

  • Streckbank (Racken)
  • Daumenschrauben und Beinschrauben
  • Gliederpressen („Spanische Stiefel“)
  • Strappado (Aufziehen)

Es liegt daher die Vermutung nahe, dass Ließ vor ihrem Suizid unter der Folter Geständnisse ablegte, die nicht der Wahrheit entsprachen, woran sie letztendlich zerbrach.

Der Prozess gegen Ließ Loher

Die erhaltenen Quellen geben nur Bruchstücke des Verfahrens an. Bekannt ist, dass Ließ Loher im Zuge der Hexenverfolgungen 1575 gemeinsam mit Lucia Hermann und Hermann Stein verhaftet und verhört wurde. Nach der „peinlichen Befragung“ unter Folter – die offenbar im Rhenser Rathaus bzw. im Stadtturm stattfand (siehe „Hexenturm“) – beging Ließ im Juni 1575 Suizid in der Haft. Da die Prozessakten von 1575 nicht erhalten sind, bleiben die konkreten Anklagepunkte sowie der Urteilsspruch im Dunkeln. Beim Verhör von Lucia Hermann wird Ließ von ihr jedoch als „verbrannte Ließ“ bezeichnet. Das könnte darauf hinweisen, dass Lucia entweder selbst davon ausging, Ließ sei verbrannt worden, oder dass ihr der Scharfrichter gegenüber erklärt hatte, dies sei der Fall.

Ihr Fall steht in direktem Zusammenhang mit jenen von Lucia Hermann und Hermann Stein, bei denen der Hauptanklagepunkt neben einigen weiteren „Delikten“ der Hexensabbat zu Weihnachten 1571 gewesen sein soll.

Historischer Kontext

Während der Lebenszeit von Ließ Loher war die Stadt Rhens zwar traditionell kurkölnisch, befand sich aber seit dem späten Mittelalter als verpfändete Stadt in der Hand der hessischen Landgrafen: Damit prägte im 16. Jahrhundert faktisch hessische Amtshoheit den Alltag in Rhens, auch wenn die rechtliche Oberhoheit bei Kurköln lag.

Für die Rhenser Einwohner bedeutete das, dass sie mit ihren Rechts- und Steuerangelegenheiten an hessische Regelungen sowie die hessische Amtssprache gebunden waren. Gerichtstage, Strafen und Verfahrensweisen wurden durch einen hessischen Amtmann gesteuert.

Am einschneidendsten wirkte die Pfandherrschaft jedoch im Religiösen Bereich. Unter hessischem Einfluss wurde in Rhens die Reformation eingeführt; ab 1528 wurden die katholischen Pfarrer durch evangelische ersetzt, der Gottesdienst umgestellt, Heiligen- und Bilderverehrung reduziert, und die Gemeindeführung (Kirchenälteste, Kirchenrechnung) nach evangelischem Muster organisiert. Ließ musste sich vermutlich an neue Gottesdienstordnungen, Katechismusunterricht und Neuordnung von Schule und Armenpflege durch die Kirchenkasse gewöhnen. Die Reformation veränderte ihre Lebensrituale von der Taufe bis zur Bestattung.

Wer katholisch bleiben wollte, geriet in ein Spannungsfeld: Das unmittelbare Umland und der formale Landesherr waren katholisch, der Ort selbst aber evangelisch verwaltet – damit waren konfessionelle Nachbarschaftsgrenzen, Eheschließungen über die Grenze und die Teilnahme an Wallfahrten oder Festen heikler oder nur eingeschränkt möglich.

„Die also sagen, es gebe kein Hexenwerk in der Welt, außer in der Vorstellung der Menschen; auch nicht glauben, daß es Dämonen gebe, heißen Zauberer. Weil Ungläubigkeit an einem Getauften Ketzerei heißt, deshalb werden solche der Ketzerei bezichtigt.“
Heinrich Kramer, Malleus Maleficarum, 1486


Literatur zu Ließ Loher:
Hexenprozesse in Rhens am Rhein, Rudolf Steffens
Hexenprozesse von Rhens – Wikipedia
Scharfer Turm in Rhens, Alexander Ritter; Torsten Schrade; Dehio, Georg
Die Rhenser Richtstätten, Joachim Forg

Quellen:
[1] Liess Loher, Clas Loher, rund-um-koblenz.de