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Magdalena Salomonin (Die Tischlerin)

Die Dritte, die sich freute, weil sich zwei stritten

Überlebende der Hexenverfolgung im Mühlviertel


Die rund fünfzigjährige Mutter und Ehefrau des Tischlers, Magdalena Salomonin, „die Tischlerin“, wurde im Jahr 1614 in Wartberg ob der Aist der Hexerei verdächtigt, gefoltert und freigelassen. Nach ihrer Freilassung reichte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Klage wegen ungerechtfertigter Tortur ein und gewann.

Magdalena Salomonin, freigesprochen, 1614, Österreich

Hoheitsgewalt: Habsburgische Erblande
Herrschaftsform: Grundherrschaft Weinberg, unter Dienstadel
Landesherrschaft: Erzherzogtum Österreich ob der Enns
Reichszugehörigkeit: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
Reichskreiszugehörigkeit: Österreichischer Reichskreis
Höchste kirchliche Autorität: Papst Paul V.
Höchste regionale kirchliche Autorität: Bischof v. Passau, Leopold I.
Höchste weltliche Autorität: Kaiser Matthias
Weitere Beteiligte:
Wolf Wilhelm II von Volkenstorf (Landeshauptmann)
Hans Wilhelm von Zelking (Grundherr)
Bannrichter Dr. Schradt

Wir befinden uns in einer Zeit kurz vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Das Mühlviertel war damals stark vom Protestantismus geprägt – ein großer Teil der Bevölkerung hing der lutherischen Lehre an. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich die Reformation besonders in den ländlichen Gebieten Oberösterreichs durchgesetzt. In vielen Dörfern waren die Pfarrer evangelisch, der Gottesdienst wurde in deutscher Sprache abgehalten, und auch das religiöse Leben der bäuerlichen Bevölkerung war von den reformatorischen Ideen durchdrungen

In einem solchen Dorf, in dem 1614 etwa 22 Häuser standen, lebten die Menschen jedoch unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Die Erträge der Landwirtschaft gingen drastisch zurück. Die Einkünfte aus dem Ackerbau und der Viehhaltung reichten nicht mehr, um Abgaben zu leisten und den gewohnten Lebensstandard zu halten. Um zu überleben, waren viele Bauern gezwungen, sich zusätzliche Einkommensquellen zu suchen. So gingen sie handwerklichen Tätigkeiten als Tagelöhner nach.

Die klimatischen und agrarischen Probleme, unter denen die Bevölkerung zu Beginn des 17. Jahrhunderts litt, waren keineswegs auf Wartberg ob der Aist beschränkt. Vielmehr handelte es sich um eine umfassende strukturellen Krise, die weite Teile Mitteleuropas erfasste. Ab dem späten 16. Jahrhundert setzte eine Phase klimatischer Abkühlung ein, die heute als „Kleine Eiszeit“ bezeichnet wird. Diese führte zu einer Verkürzung der Vegetationsperioden und damit zu einer deutlichen Verschlechterung der landwirtschaftlichen Bedingungen.

Wiederholte Missernten infolge von Spätfrösten, langanhaltender Nässe, Hagel oder Kälteeinbrüchen beeinträchtigten den Heu- und Getreideanbau, der für die bäuerliche Selbstversorgung und die Abgabenerfüllung lebenswichtig war. Die Erträge reichten immer seltener aus, um sowohl die Familie zu ernähren als auch die Verpflichtungen gegenüber der Grundherrschaft zu erfüllen.

Erschwerend kam hinzu, dass die örtliche Grundherrschaft Weinberg, die sich im Besitz der protestantischen Familie von Zelking befand, hohe Abgaben von ihren Untertanen einforderte. Diese mussten unabhängig von der wirtschaftlichen Lage und den Ernteergebnissen erbracht werden. Die Kombination aus klimatischer Unsicherheit, wirtschaftlicher Belastung und sozialem Druck führte zu wachsender Unzufriedenheit unter der Landbevölkerung – ein Zustand, der den sozialen Frieden in der Region gefährdete.

Es gab jedoch auch Bevölkerungsgruppen, die von der schwierigen Lage nicht im gleichen Ausmaß betroffen waren – im Gegenteil: Während die Bauern unter wirtschaftlichem Druck standen, konnten manche Handwerker ihre Position sogar verbessern. So etwa der Hafner mit dem Namen Leitner und der Tischler mit dem Namen Salomon aus Wartberg. Hohe Gewinne erzielten die beiden Handwerker zwar nicht, doch im Vergleich zu den Bauern standen sie stabiler da. Ihre Einkünfte waren weniger stark von Witterung und Missernten abhängig, und sie mussten keine landwirtschaftlichen Abgaben an die Grundherrschaft leisten. Während die Bauern Angst hatten, ihre Existenzgrundlage zu verlieren, blieben den Handwerkern die großen wirtschaftlichen Einbußen erspart. So zählten sie in dieser Phase zu jenen, die sich trotz allgemeiner Notlage vergleichsweise gut behaupten konnten.

Die Gegenreformation trug maßgeblich zur weiteren Verunsicherung der Bevölkerung bei. Sie ging einher mit einem zunehmend autoritären Regierungsstil der habsburgischen Verwaltung, der sich auch im Alltag der Landbevölkerung immer stärker bemerkbar machte. Besonders im Mühlviertel, wo der Protestantismus in vielen Gemeinden tief verwurzelt war, griffen die Maßnahmen der katholischen Rückführung tief in das religiöse und soziale Gefüge ein. Evangelische Pfarrer wurden abgesetzt und durch katholische Geistliche ersetzt. Diese erzwungene Rückkehr zur katholischen Seelsorge war einer der ersten sichtbaren Eingriffe in das religiöse Leben der Dorfgemeinden. Auch die Kirchen selbst wurden entsprechend umgestaltet: In Wartberg etwa wurde das Gotteshaus von evangelischen Elementen „gesäubert“. Bibeln in deutscher Sprache, lutherische Gesangbücher und reformatorisch geprägte Kanzeln wurden entfernt und durch katholische Geräte, Bücher und Symbolik ersetzt. Der Altarraum wurde neu eingerichtet, sodass er wieder der katholischen Liturgie entsprach. Die Rekatholisierung betraf auch den Bildungsbereich. Die evangelischen Schulen, die zuvor vielen Kindern aus bäuerlichen Familien den Zugang zu Lesen, Schreiben und religiöser Bildung ermöglicht hatten, wurden entweder geschlossen oder in katholische Volksschulen umgewandelt. Der Unterricht unterstand nun nicht mehr der Kontrolle protestantischer Pfarrer, sondern wurde von katholischen Geistlichen geführt. Wer sich diesen Veränderungen widersetzte, riskierte Sanktionen. Bauern, die nicht zur katholischen Messe erschienen und stattdessen in ihren Häusern private evangelische Andachten hielten, wurden mit Geldstrafen bedroht. Der Druck auf die einfache Bevölkerung war hoch. Viele passten sich äußerlich den neuen Gegebenheiten an, um Strafen zu vermeiden, blieben innerlich jedoch ihrer evangelischen Überzeugung treu – eine Haltung des stillen Widerstands, wie sie in dieser Zeit vielerorts zu beobachten war.

Und als wäre die Lage nicht schon schwierig genug, starben in dieser Zeit auch noch zwei der bedeutendsten Bauern des Dorfes: der Khollerpaur und der Hammermüller. Sie besaßen die beiden größten und einflussreichsten Höfe in der Gemeinde. In diese instabile Lage hinein traf das Dorf ein weiterer Schlag: Die Kühe begannen zu erkranken. Für eine bäuerlich geprägte Gemeinschaft bedeutete der Tod von Nutztieren nicht nur den Verlust von Milch und Fleisch, sondern auch einen Einbruch im sozialen Status. Kühe galten als Zeichen von Wohlstand und Versorgungssicherheit. Wer Tiere verlor, verlor auch Ansehen – und in manchen Fällen die Grundlage seiner Existenz. Besonders für kleinere Höfe, die ohnehin am Rande der wirtschaftlichen Belastbarkeit lebten, wurde das Viehsterben zur existenziellen Bedrohung. Die Angst, Unsicherheit und der religiöser Druck, die das tägliche Überleben zu einer Herausforderung machten, erschütterten das soziale Gefüge von Wartberg tief.

Angesichts der sich ausbreitenden Viehkrankheiten begannen die Dorfbewohner nach Erklärungen zu suchen. Auch Magdalena Salomonin, die Ehefrau des Tischlers, blieb von der Sorge nicht verschont. Ihre einzige Kuh zeigte plötzlich Anzeichen von Krankheit. Obwohl sie im Vergleich zu vielen anderen im Dorf wohl als wirtschaftlich besser gestellt bezeichnet werden konnte – sie und ihr Mann lebten nicht von der Landwirtschaft, sondern von der Tischlerei – wollte auch sie den Verlust des Tieres nicht hinnehmen. In ihrer Hilflosigkeit wandte sich Magdalena an einen befreundeten Knecht und bat ihn, in ihrem Namen einen Wahrsager aufzusuchen. Dieser äußerte einen beunruhigenden Verdacht: Es liege offenbar ein Abwehrzauber gegen Magdalena vor.

Magdalena war im Dorf als eine Frau bekannt, die sich von den anderen unterschied. Besonders ihre ungewöhnlich innige Beziehung zu Tieren stieß bei vielen auf Unverständnis. Es hieß, sie hege eine Zuneigung zu ihrer Kuh, wie sie unter Bauern nicht üblich sei. Man warf ihr vor, das Tier übermäßig zu pflegen, es regelmäßig zu waschen und sogar zu dulden, dass das Vieh auf ihrem Hof sie ableckte – ein Verhalten, das im bäuerlichen Umfeld als befremdlich galt. Zu diesen Beobachtungen kamen zunehmend Gerüchte, Magdalena verfüge über Kenntnisse im Heil- und Schadenzauber. Ihre Andersartigkeit, gepaart mit dem Eindruck geheimnisvollen Wissens, schürte Misstrauen und löste bei manchen offene Ablehnung aus.

Den entscheidenden Anlass für zunehmendes Gerede lieferte schließlich ein Gerücht, das sich schnell im Dorf herumsprach: Eine Kröte hatte sich in Magdalenas Haus verirrt. Als ein Mann aus der Gemeinde das Tier töten wollte, hinderte sie ihn daran und sagte, es bringe Unglück, ein solches Tier zu verletzen. Für viele war dieses Verhalten nach den Gerüchten um Magdalena nicht mehr nur seltsam – es wurde bedrohlich. Für die übrigen Bauern des Dorfes war daher klar: Nur Magdalena konnte die Verursacherin des Viehsterbens sein. Ihr Verhalten, ihre Eigenheiten und die Gerüchte, die sich seit Langem um sie rankten, fügten sich für sie zu einem Bild zusammen.

Den entscheidenden Anstoß zum Hexenprozess gegen Magdalena lieferte schließlich der Wirt der Hoftaverne, Isac Trepta, ein Mann mit hohem Status in der Gemeinde, dessen eigenes Vieh ebenfalls erkrankt war. Er berichtete, Magdalena am Sonntagabend in der Dämmerung dabei beobachtet zu haben, wie sie eine Flüssigkeit vor ihrer Haustüre auf die Straße und auf die nahe Mauer ausgegossen habe. Für ihn war der Fall sofort klar: Was er gesehen hatte, war ein Schadenzauber, ausgeführt durch einen zauberischen Ausguss. Wenig später erkrankten auch die Tiere der Meierin vom Meierhof. Die Meierin erinnerte sich, dass Magdalena einige Tage zuvor bei ihr Kuhjauche geholt hatte – angeblich, um damit ihre eigene kranke Kuh zu behandeln. Für die Meierin war dies jedoch kein harmloser Vorgang mehr, sondern ein möglicher Hinweis auf magische Praktiken. In ihren Augen hatte Magdalena mit der Jauche nicht nur die Heilung ihrer Kuh gesucht, sondern Kräfte aktiviert. Vielleicht hatte Magdalena das sogar wirklich. Vielleicht wollte sie sich gegen den vom Wahrsager erwähnten Abwehrzauber schützen.

Der Wirt und die Meierin, erstatteten daraufhin Anzeige beim Gerichtsdiener. Schon am nächsten Tag, am 9. Juli 1614, wurde Magdalena auf Schloss Weinberg gebracht und befragt. Magdalena lehnte die Beschuldigungen vehement ab. Daraufhin wurde sie gefoltert. Unter Folter gestand sie Magieanwendungen, die ihre die Jägerin beigebracht hätte. Außerdem beschuldigte Magdalena ihrerseits beim Verhör die Meierin und die Hafnerin der Zauberei. Die Meierin gestand, dass auch sie manchmal zu „magischen Hilfsmitteln“ wie das Besprechen von Liebstöckl, griff, was bei Verzauberung der Milch helfen sollte. Damit hatte Magdalena den Vorwurf entkräftet, sie allein würde im Dorf magische Hilfsmittel anwenden. Vielmehr konnte sie damit verdeutlichen, dass derartige Praktiken unter den Frauen der Dorfgemeinschaft weit verbreitet waren.

Der Bannrichter Dr. Schradt stellte Magdalenas Neigung zu Tieren, vor allem aber zu Kröten und Ungeziefer, fest. Dies erschien ihm als beachtenswert. Schließlich fand sich im Hexenhammer Schadenzauber mit Krötenpulver als Delikt. Dieses Werk war zwar bereits veraltet und sollte einige Jahre später in den Index der verbotenen Bücher der römisch-katholischen Kirche aufgenommen werden, doch viele Männer hielten dennoch an der grausamen Klarheit seiner Inhalte fest. Noch dazu lieferte auch die Carolina von 1532, das zu jener Zeit gültige Strafgesetzbuch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, eine rechtliche Grundlage für die Bestrafung solcher Delikte – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass tatsächlich ein nachweisbarer Schaden eingetreten war.

Für den Gerichtsdiener, der die weiteren Schritte im Fall von Magdalena veranlasste, war der Schaden bereits gegeben – auch wenn sich dieser nicht eindeutig Magdalena nachweisen ließ. Ihm genügten die Zeugenaussagen der Dorfbewohner, um die Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Dass auch Magdalenas eigene Kuh erkrankt war, wertete er nicht als entlastendes Indiz. Bereits einen Tag, nachdem der Wirt und die Meierin beim Gerichtsdiener Anzeige erstattet hatten, wurde Magdalena Salomonin am 9. Juli 1614 auf das nahegelegene Schloss Weinberg gebracht und dort einer ersten Befragung unterzogen.

Dass die Aussagen der Zeugen im Zuge der Einvernahme nicht frei von Übertreibung oder bewusster Falschdarstellung waren, zeigt bereits ein besonders beachtenswertes Beispiel: Es wurde behauptet, dass die bereits verstorbene Frau des Grundherren Zelking während ihres Aufenthalts in Wartberg gesehen habe, wie zwei Kröten über die Schwelle in Magdalenas Haus gekrochen seien. Eine solche Geschichte war in mehrfacher Hinsicht unglaubwürdig. Zum einen war es höchst unüblich, dass sich Grundherrinnen überhaupt unter ihre Untertanen mischten, geschweige denn, dass sie sich mit derart alltäglichen Vorkommnissen wie dem Verhalten von Kröten beschäftigten oder darüber berichteten. Zum anderen war die Quelle der Aussage eine Verstorbene, was sie aus juristischer Sicht völlig wertlos machte. Dennoch wurden weiter fantastische und schwer überprüfbare Geschichten wie diese im Verhör immer wieder vorgebracht – und vom Gerichtspfleger nicht etwa zurückgewiesen, sondern protokolliert und als Indizien gewertet.

Besonders auffällig war die Rolle des Hafners und seiner Frau, die als Handwerker in direkter Konkurrenz zu Magdalena und ihrem Ehemann standen. Auch sie lebten nicht von der Landwirtschaft, sondern vom Handwerk und profitierten somit wirtschaftlich indirekt von der schwierigen Lage der Bauern. Der Hafner gab an, beim Leichenzug des Khollerpaurn, der an seinem Haus vorbeizog, drei Bauern belauscht zu haben, die behaupteten, Magdalena habe dem Toten Stücke vom Leichenhemd abgeschnitten. Auch dies war ein nicht belegbarer, aber emotional aufgeladener Vorwurf. Seine Frau wiederum sagte aus, dass sie Magdalena zu Ostern habe aufsuchen wollen, um ihr die Nachricht vom Tod der Mutter des Hammermüllners zu überbringen. Dabei habe sie Magdalena in einem Stall mit einem „verdächtig aussehenden Mann“ stehen sehen. Der Anblick habe sie so sehr beunruhigt, dass sie zu ihrem Mann gesagt habe, er solle lieber nachsehen, ob wirklich Magdalena dort sei – ihr wäre es fast lieber gewesen, sie hätte, „Gott bewahre“, den Teufel dort stehen sehen. Sechs Wochen nach diesem Vorfall hätten die Kühe und Kälber nicht wie gewöhnlich das frische Futter, sondern das darunterliegende Streu gefressen – ein Verhalten, das in der Folge zum Tod der Tiere geführt haben soll. Auch dieses Ereignis wurde nun rückblickend mit Magdalenas angeblicher Nähe zum „Teuflischen“ in Verbindung gebracht.

All diese Aussagen, so spekulativ sie auch waren, reihten sich ein in eine wachsende Erzählung von Magie und Unheil, die sich in der Gemeinde zunehmend verfestigte – genährt von Aberglaube, sozialem Druck und persönlichem Interesse. Auch der Wirt legte bei der Befragung weitere belastende Aussagen gegen Magdalena ab. Er schilderte ausführlich die Ereignisse jenes Sonntags, an dem er beobachtet hatte, wie sie bei Einbruch der Dämmerung eine Flüssigkeit auf die Straße und an die Mauer ihres Hauses gegossen hatte. Zuvor habe Magdalena ihre Kuh von der Wiese heimgeführt – zur selben Zeit, als auch seine Magd mit den Kühen auf dem Heimweg war. Als er Magdalena sah, sei ihm sofort eingefallen, dass der Meierknecht ihn einige Tage zuvor gewarnt hatte, jene Stelle auf der Straße zu meiden, an der Magdalena regelmäßig mit ihrer Kuh entlangging. Der Knecht habe erzählt, dass er selbst mit seinen Kühen über genau diese Stelle gegangen sei – und kurz darauf seine Kühe krank geworden seien. Auch habe ihm der Knecht berichtet, dass seine Herrin, die Meierin, Magdalena verdächtige, die Tiere absichtlich krank gemacht zu haben. Der Wirt habe, als er Magdalena mit ihrer Kuh sah, geahnt, was bevorstehen würde, und sei seiner Magd entgegengeeilt, um sie zu warnen, die Tiere nicht über die betroffene Stelle zu treiben. Doch es sei bereits zu spät gewesen – die Tiere hatten den Platz schon überquert. Was folgte, war für den Wirt der endgültige Beweis: Bereits am nächsten Tag gaben seine Kühe eine Milch, die schäumte, spritzte und zischte, als würde sie kochen. Das Zischen habe er sogar aus dem Hof gehört, ohne den Stall zu betreten. Verängstigt über diese Erscheinung und überzeugt davon, dass die Milch verhext oder unbrauchbar sei, wagte er es nicht, sie weiterzuverwenden. Er mischte sie schließlich nur noch unter das Futter der Schweine. Auch dieser Vorfall, so schilderte der Wirt, sei unmittelbar mit Magdalenas Verhalten und dem Vorwissen des Meierknechts in Verbindung zu bringen. Die Abfolge der Ereignisse schien ihm so eindeutig, dass für ihn kein Zweifel mehr bestand, dass Magdalena durch magische Handlungen gezielt Schaden angerichtet hatte.

Der Schnöller-Knecht legte bei seiner Befragung ebenfalls eine Reihe von Aussagen gegen Magdalena ab, die auf Gerüchten basierten. Er berichtete, dass er seine Herrin wiederholt über Magdalena klagen gehört habe. Der Knecht berichtete von vier verendeten Kühen auf dem Schnöllerhof und auch von wiederkehrenden Problemen bei der Milchverarbeitung. Aus Sorge um das eigene Vieh führte er gemeinsam mit seinem Herrn, dem Bauern Schnöller, einen Gegenzauber aus – eine Maßnahme, die gegen Verhexung helfen sollte. Der Bauer goss dazu Milch in den Schweinetrog, gab dem Knecht einen Weißdornzweig in die Hand und wies ihn an, die Milch damit zu schlagen. Gerade in jenem Moment, so berichtete der Knecht weiter, seien plötzlich Magdalena und die bettelnde Jägerin aufgetaucht. Magdalena habe erklärt, sie sei auf der Suche nach ihrer Tochter, während die Jägerin um Brot gebettelt habe. Für den Knecht und seinen Herrn war dies jedoch mehr als ein rein zufälliger Besuch – vielmehr hegten sie den Verdacht, dass die beiden wissen wollten, was im Stall der Schnöllers vorging, möglicherweise um den Gegenzauber zu stören. Sein Herr habe daraufhin beide Frauen des Hofes verwiesen und den Zauber zu Ende geführt. Doch der gewünschte Erfolg blieb aus: Trotz der Abwehrmaßnahme verschlechterte sich der Zustand der Kühe zusehends.

Nachdem alle Zeugen gehört worden waren, wurde endlich Magdalena befragt. Diese wies jegliche Schuld von sich. Doch dem Gerichtspfleger genügte dies nicht. Dass auch Magdalenas eigene Kuh erkrankt war, deutete er nicht als entlastendes Indiz. Er ordnete die Folter an. Unter Schmerzen legte Magdalena ein Geständnis ab. Sie gab zu, in magische Praktiken eingeführt worden zu sein – von einer Frau, die sie als „die Jägerin“ bezeichnete. Während der Verhöre belastete Magdalena die alte Meierin und die Hafnerin der Zauberei. Die Meierin räumte bei ihrer eigenen Befragung ein, gelegentlich zu „magischen Hilfsmitteln“ gegriffen zu haben – etwa zum Besprechen von Liebstöckl, einer magischen Praxis, die zur Heilung von verzauberter Milch dienen sollte. Damit konnte Magdalena sichtbar machen, dass sie nicht die einzige war, die auf Zauberei zurückgriff.

Der Bannrichter Dr. Schradt, der den Fall leitete, äußerte in seinem Protokoll besondere Bedenken wegen Magdalenas auffälliger Nähe zu Tieren, insbesondere zu Kröten und Ungeziefer. Diese Tiernähe galt im Hexenglauben der Zeit als verdächtig. Der „Hexenhammer“ (Malleus Maleficarum)[1], das maßgebliche Handbuch der Hexenverfolgung, listete Schadenzauber mit Krötenpulver als typisches Hexendelikt. Zwar war dieses Werk bereits veraltet und sollte wenige Jahre später in den Index der verbotenen Bücher der römisch-katholischen Kirche aufgenommen werden, doch viele Männer hielten dennoch an der grausamen Klarheit seiner Inhalte fest – sie schätzten seine kompromisslose Haltung. Zusätzlich lieferte aber auch die Carolina von 1532, das zu jener Zeit gültige Strafgesetzbuch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, eine rechtliche Grundlage für die Bestrafung solcher Delikte – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass tatsächlich ein nachweisbarer Schaden eingetreten war. Für Dr. Schradt lag ein tatsächlicher Schaden jedoch nicht vor, schon allein deshalb, weil jede der nun Verdächtigten in irgendeiner Weise mit Zauberei in Verbindung stand. Die Aussagen der Dorfbewohner genügten ihm nicht, um daraus einen Zusammenhang zu konstruieren.

Aufgrund der nicht ausreichenden Beweislast wurde Magdalena freigesprochen und Anfang November 1614 aus dem Kerker entlassen. Aber anstatt es ruhen zu lassen, nahm sich die Familie Salomon 1615 einen Rechtsanwalt und klagte auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei der Landeshauptmannschaft in Linz. Die Salomons warfen dem Wirten vor, die Hexereianklage aus reinem Neid und Hass ausgeführt zu haben. Schon nach acht Tagen und ohne ausreichende Beweisaufnahme wurde Magdalena dem Scharfrichter übergeben und sei dermaßen mit den Daumenschrauben gefoltert worden, dass sie ihre Hände noch immer kaum bewegen konnte. Als rechtliche Grundlage galt die Carolina, in der ausdrücklich festgehalten war, dass niemand allein auf bloßen Verdacht hin der Folter unterzogen werden dürfe. Artikel 20 verpflichtete die Behörden dazu, im Falle einer unrechtmäßigen Folter ohne ausreichende Indizien einen Schadenersatz zu leisten[2].

Nun nahm der Fall endgültig eine neue Wendung. Im Jahr 1615 wurde der zuständige Gerichtspfleger vor der Landeshauptmannschaft in Linz vernommen. Ihm wurde zur Last gelegt, die Folter an Magdalena Salomonin ohne die Zustimmung des Grundherrn Hans Wilhelm von Zelking angeordnet zu haben – ein schwerwiegender Verstoß gegen die geltende Rechtsordnung, die eine solche Maßnahme nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Herrschaft erlaubte. Doch die Verantwortung ließ sich nicht vollständig dem Gerichtspfleger zuschreiben. Allzu gelegen kam es der katholisch dominierten Landesverwaltung, auch den protestantischen Grundherrn Zelking ins Visier zu nehmen. Der Fall bot eine willkommene Gelegenheit, dem evangelischen Adel in einem zunehmend rekatholisierten politischen Umfeld die Grenzen aufzuzeigen. Der Fall Magdalena Salomonin war daher in erster Linie kein Ausdruck rechtsstaatlicher Selbstkritik, sondern ein gezielt eingesetztes Instrument konfessioneller Machtausübung. Im April 1617 griff schließlich der neu eingesetzte, streng katholische Landeshauptmann von Oberösterreich, Wolf Wilhelm II von Volkenstorf, in die Angelegenheit ein. Dieser entschied zugunsten von Magdalena Salomonin. Zelking musste der Familie eine Wiedergutmachung in Höhe von 100 Dukaten zahlen – eine enorm hohe Summe, die mehreren Jahreseinkommen eines einfachen Arbeiters entsprach. Damit konnten die Salomons die hohen Prozesskosten und wirtschaftlichen Verluste ausgleichen, die ihnen durch die ungerechtfertigte Verfolgung und die monatelange Haft entstanden waren.

„Wenn jemand einem anderen durch Zauberei Schaden oder Nachteil zufügt, soll er mit dem Tod bestraft werden, und zwar durch Verbrennen.“
Constitutio Criminalis Carolina, das erste Strafgesetzbuch Europas, 1532


Quellen:
[1] Der Malleus Maleficarum, weiberkraft.com
[2] Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls Consitutio Criminalis Carolina: Ausgabe für Studierende, archive.org

Maria Keplinger, Schadenszauber- und Hexereivorwurf in dörflichen Konflikten. Dargestellt an zwei Zaubereiprozessen im Mühlviertel in den Landgerichten Weinberg 1614 – 18 und Oberwallsee 1663, zobodat.at

Weiterführende Literatur zu Magdalena Salomonin, „die Tischlerin“:


Bild: KI